8.1.
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Philosophie des Als-ob
Lebe, als ob es dein letzter Tag wäre?
Welch Vorstellung!
Lebe viel mehr, als ob du heute Papst wärst,
als ob gestern deine Mutter gestorben wäre,
als ob du morgen einen Sprössling bekämest,
als ob heute in deinem Tag nichts Besonderes vorgefallen wäre,
als ob du letzte Woche betrogen worden wärest,
als ob du nächste Woche betrügen würdest,
als ob du keinen Plan habest
als ob du einen Plan habest.
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Technikkritisch Lied
Seitdem es den Taschenrechner gibt, können wir nicht mehr zählen;
Seitdem es den Computer gibt, können wir nicht mehr denken;
Seitdem es das Handy gibt, können wir nicht mehr sprechen.
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Feuertod in Polizeizelle
Was der Oberbürgermeister sich wünscht
Moses Mendelssohn entkam noch der Stadt und ihren Verhältnissen. Oury nicht.
„In Dessau-Roßlau ist am Freitag an den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh erinnert worden. Der Mann aus Sierra-Leone war auf den Tag genau vor sechs Jahren beim Brand in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. Vor dem betreffenden Polizeirevier wurden Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt. An einer Gedenkfeier an der Dessauer Friedensglocke nahmen auch Oberbürgermeister Klemens Koschig und der Präsident der Polizeidirektion Ost, Karl-Heinz Willberg, teil. Koschig sagte mit Blick auf die Neuauflage des Jalloh-Prozesses vor dem Landgericht Magdeburg am kommenden Mittwoch, er wünsche sich ein Urteil, mit dem alle Betroffenen leben könnten.
Jalloh war am 7. Januar 2005 bei einem Brand in einer Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers ums Leben gekommen. Er starb an den Folgen eines Hitzeschocks. Er soll seine Matratze selbst angezündet haben, obwohl er an Händen und Beinen gefesselt war. Die genauen Todesumstände sind bis heute unklar. Der Afrikaner war nach Polizeiangaben unter Alkohol- und Kokaineinfluss stehend in die Ausnüchterungszelle eingeliefert worden, nachdem er mehrere Frauen belästigt und den herbeigerufenen Beamten Widerstand geleistet hatte.
Zwei Polizisten, denen eine Mitschuld am Feuertod des Asylbewerbers gegeben wurde, waren im Dezember 2008 freigesprochen worden. Einer der Freisprüche ist bereits rechtskräftig. Den Freispruch für den Dienstgruppenleiter kassierte der Bundesgerichtshof vor einem Jahr. Deshalb muss sich der Mann ab Mittwoch in einem zweiten Verfahren vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Dem 50-Jährigen wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Er soll bei dem Brand in der Zelle zu spät auf den Alarm reagiert haben. Angehörige von Oury Jalloh, eine Initiative zum Gedenken an den Afrikaner und Menschenrechtler fordern nach wie vor eine umfassende Aufklärung des Falls.
Zuletzt aktualisiert: 07. Januar 2011, 15:57 Uhr, MDR
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Die Ehre des Herrn Honors
US-Offizier hetzt in Videoshow gegen Schwule
REUTERS
Skandal auf amerikanischem Flugzeugträger: Ein ranghoher Offizier der „USS Enterprise“ hat in Dutzenden Kurzfilmen Homosexuelle verunglimpft, verhöhnt und beleidigt – und wurde mittlerweile zum Kapitän befördert. Die Marine kündigt eine Untersuchung an.
Norfolk – Gerade eben hatte US-Präsident Barack Obama noch den Durchbruch für die Rechte von Homosexuellen verkündet: Kurz vor Weihnachten unterzeichnete Obama eine Schwulen-Regelung für das amerikanische Militär. Das Gesetz erlaubt Homosexuellen künftig den Militärdienst, ohne sich verleugnen zu müssen.
Jetzt wird die Öffentlichkeit von einem Video-Skandal erschüttert, der die Dringlichkeit eines wirksamen Gesetzes erneut auf die Agenda hebt. Im Mittelpunkt: Ein Dutzend schwulenfeindliche Videos, gedreht und ausgestrahlt auf dem US-Flugzeugträger „USS Enterprise“. In den Kurzfilmen werden Masturbations-Gesten demonstriert und Szenen von gemeinsam duschenden gleichgeschlechtlichen Paaren nachgestellt. Die Videos sollen den knapp 6000 Matrosen an Bord der „USS Enterprise“ gezeigt worden sein.
Hauptfigur der Clips ist der ehemalige Kampfpilot Owen Honors, zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Erster Offizier auf dem Marineschiff. Honors führt mittlerweile das Oberkommando auf der „Enterprise“.
Wie die amerikanische Zeitung „Virginian Pilot“ und das Internetmagazin „Huffington Post“ berichteten, stammen die Filme aus den Jahren 2006 und 2007. Unklar ist, warum die Clips erst jetzt auftauchten. Die Videos sollen im internen Fernsehprogramm des Flugzeugträgers ausgestrahlt worden sein – als eine Art wöchentliche Videoshow für die 5800 ständigen Besatzungsmitglieder.
Auf der Internetseite der „Virginian Pilot“ sind Ausschnitte zu sehen, in denen Honors Homosexuelle beleidigt und zusammen mit anderen Crewmitgliedern Masturbationsbewegungen imitiert. Die nächste Sequenz läutet er mit den Worten ein: „Zum Schluss zu meinem Lieblingsthema … Tussis unter der Dusche.“ Zu sehen sind dann Frauen-Paare sowie zwei Männer, die so tun, als ob sie zusammen duschten. Auch Szenen, in denen ein Mann als Frau verkleidet ist, und eine gespielte Rektaluntersuchung kommen in den Filmclips vor.
Die Navy bekräftigte in einer Stellungnahme, die Entstehung und Ausstrahlung der „eindeutig unangemessenen Videos“ zu untersuchen. „Die Videos waren damals nicht akzeptabel, und sie sind es auch in der heutigen Marine nicht“, heißt es in dem Statement.
Weiter hieß es, die Ausstrahlung der Videos seien bereits „vor mehreren Jahren“ gestoppt worden. Es sei „unglücklich“, dass offenbar noch immer Kopien der Videoclips kursierten. Zugleich wies die US-Marine grundsätzliche Kritik an der Videoshow zurück: Die Filme hätten niemanden beleidigen sollen.
Die ursprüngliche Intention der Filmclips an Bord der „Enterprise“ sei gewesen, Crewmitglieder auf „unterhaltsame Weise“ über Themen und Probleme an Bord auf dem Laufenden zu halten, etwa Hafenstops, Verkehrssicherheit, Sauberkeit und Hygiene auf dem Schiff.
Unklar ist, warum Honors trotz seiner Hauptbeteiligung an den Videos im Mai vergangenen Jahres zum Kapitän des Schiffes befördert wurde.
Die „Enterprise“ war nach Angaben des Magazins zum Zeitpunkt der Ausstrahlung in Nahost stationiert, unterstützte die US-Missionen im Irak und in Afghanistan. Mehrere Crewmitglieder sagten gegenüber der Zeitung aus, sie hätten sich über die Filme beschwert. Die Bedenken wären aber von der Mehrheit der Besatzung abgebügelt worden. Protagonist Honors verhöhnt in dem Video sogar seine Kritiker, indem er „einzelne Beschwerden“ über seine Show offen anspricht – und wenige Sekunden später weiter gegen Schwule hetzt.
In den Videos scheut Offizier Honors keinen körperlichen Einsatz: Unter anderem imitiert er vor laufender Kamera masturbationsartige Handbewegungen in einem Bürostuhl, kombiniert mit weiteren schwulenfeindlichen Beleidigungen.
Zugleich legen die Videos nahe, dass sich Honors möglicher Konsequenzen bewusst war – in einer Sequenz bittet er darum, die Schiffsführung im Falle einer „gerichtlichen Untersuchung“ außen vor zu lassen: „Wie immer haben der Admiral und der Kapitän vom Inhalt dieser Videos keine Ahnung“, sagt Honors in die Kamera.
Nach Angaben der „Virginian Pilot“ hatte Honors 1983 die Amerikanische Marineakademie abgeschlossen, später eine Ausbildung als Kampfpilot absolviert. Die „Enterprise“, der weltweit erste nuklearbetriebene Flugzeugträger, ist seit 1961 im Dienst und soll im Jahr 2013 stillgelegt werden. In wenigen Wochen wird sie auf eine ihrer letzten Missionen geschickt.
amz/AFP, 3.1.
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Letztes Wort
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„De grâce, monsieur le bourreau, encore un petit moment.“ („Gnade, Herr Henker, noch einen kleinen Moment.“) [unsicher]
Marie-Jeanne Dubarry, Mätresse Ludwigs XV. von Frankreich, 1793
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