Willi Neubert
Kunst der Rufer und Trommler
VON GÜNTER KOWA, 10.08.11, 21:07h, aktualisiert 10.08.11, 23:16h
THALE/MZ. Kaum jemand hat mehr dazu beigetragen, die DDR auszuschmücken, als Willi Neubert. Allgegenwärtig waren seine Wandbilder auf Industrieemail, die in leicht fassbarer Bildsprache und leuchtenden Farben die Botschaft vom siegreichen Sozialismus verkündeten. Dank des neuen Mediums sollte das typisierte Figurenpersonal aus Arbeitern, Bauern, Müttern und Wissenschaftlern, verschränkt mit symbolhaften Motiven, auf ewig fortleben.
Doch es kam anders: Nach der Wende war es mit politischen Glaubensappellen vorbei. Die Wandbilder abzumontieren und bestenfalls einzulagern, war gerade wegen ihrer Zusammensetzung aus einzelnen Platten schnell geschehen. So verschwand mit der Gründung der MZ vom Verlagshaus der „Freiheit“ in Halle auch der gottgleiche Hüter des sozialistischen Zeitungswesens, der „Kollektive Organisator“, der unter der Schlagzeile „Frieden, Sozialismus“ das blühende Leben des Staates umfängt.
Hatte sich für Neubert die Zeit seiner Großaufträge auch überlebt, so blieb er dennoch seiner Wahlheimat treu und malte im Atelier in Thale Harzlandschaften und Symbolbilder. Zu seinem 90. Geburtstag ließ die Stadt gar sein Suhler Wandbild nahe am Bahnhof wieder aufhängen. Der „Internationale Charakter der Offensive des Marxismus-Leninismus“ leuchtet nun Besuchern entgegen. Der Schöpfer des 25 Meter langen Werkes aber ist am Sonntag 91-jährig gestorben, teilte am Mittwoch die Familie mit.
Der gelernte Schlosser wird nach dem Krieg Stahlwerker am Eisenhüttenwerk Thale. Als Aktivist für Wandzeitungen verbindet er früh künstlerisches Talent mit politischer Agitation. An der Burg Giebichenstein studiert er bei später als „formalistisch“ verfemten Lehrern. Sein technisches Geschick bringt ihm 1972 die Leitung des Instituts für Architekturemail ein, das die Hochschule in Thale gründet. Gemeinsam mit Willi Sitte und Walter Womacka wird Neubert zum Schöpfer einer Bildtradition der DDR, zu der er sinnbildhafte Sujets wie die „Neuerer-„, die „Brigade-“ und die „Parteidiskussion“ beiträgt. Ihre Elemente und Motive tauchen, abwechselnd mit „Rufern“, „Trommlern“ und „Stahlwerkern“, immer wieder in Wandbildern und auf den Gemälden der Kunstausstellungen auf. Indem sich diese Bilder aus der Bildsprache der Moderne, allen voran der Figürlichkeit Picassos und dem Technizismus Fernand Légers, bedienen, lassen sie die Enge des Sozialistischen Realismus hinter sich, ohne tatsächlich in die Moderne zu münden. Sie stellte dem Maler nur die zeitgemäßen Mittel zu einer durchweg bejahenden und beschönigenden Sicht auf die Gesellschaft bereit.
Die Beisetzung findet am 27. August um 14 Uhr auf dem Friedhof in Thale statt.