13.10.
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Namensschwestern werden 30
Die doppelte Katja
„Aber Sie wohnen doch schon hier“, bekam unsere Autorin zu hören, als sie sich im Bürgeramt anmeldete. Selber Name, selber Geburtstag – jetzt hat sie sich zum ersten Mal mit ihrer Namensschwester getroffen.
Zwei Pizzen mit Rucola und Tomaten bringt der Kellner an den Tisch – und langsam wird es unheimlich. „Hast du etwa?“, fragt Katja über den Tisch. Ja, habe ich. Die gleichen Zutaten für den Belag meiner Pizza angekreuzt wie sie, auf einem vorgefertigten Zettel in einem Friedrichshainer Restaurant. Mit ihrem Kuli, ja, aber ohne zu gucken, was sie wählt.
Mir gegenüber sitzt Katja Reimann, geboren am 13. Oktober 1980. Sie heißt wie ich, ist geboren am selben Tag und im selben Jahr wie ich – und isst die gleiche Sorte Pizza wie ich. Allein: Zwischen Rucola und Tomaten liegen auf ihrer Pizza Pilze, bei mir sind es Krümel von Schafskäse, sie trägt ihre Haare dunkel und lang, ich meine blond und halbwegs kurz, ihre Augen sind braun, meine blau, wir sind Doppelgänger, Namensschwestern, wie immer man das nennen will.
Getroffen haben wir uns vorher noch nie. Dabei waren wir uns in den vergangenen zwei Jahren schon häufig begegnet, sozusagen formal, auf Papier. Am Briefkasten, wenn Post für sie bei mir ankam. Oder andersherum. Einzelverbindungsnachweise eines Telefonanbieters etwa, die ich über Jahre vermisste, hatte Katja stets pünktlich im Briefkasten. Oder bei Ämtern, wenn ich sagen musste: „Nein, nein, ich bin die andere“.
Die Geschichte von der unverhofften Verdopplung amüsierte meine Freunde. Und doch machte sich ein leichter Verfolgungswahn bemerkbar. In der Hausarztpraxis zum Beispiel, als die Sprechstundenhilfe einmal sagte: Frau Reimann, Sie waren doch vergangene Woche schon mal da. Und ich es nicht war.
Als ich das erste Mal erfuhr, dass es mich in Berlin gleich zwei Mal gibt, meldete ich mich im Herbst 2007 im Bürgeramt Charlottenburg an. „Aber sie wohnen doch schon hier“, sagte der Beamte erstaunt und starrte auf den Bildschirm seines Computers. Ausgeschlossen. Nie vorher hatte ich in Berlin gelebt. Natürlich, der Name Reimann ist häufig, Katja nicht selten. 402 Treffer in Berlin erhält, wer Reimann online im Telefonbuch sucht. Katja stand im Jahr 1980 auf einer im Internet kursierenden, inoffiziellen Liste der beliebtesten Vornamen auf Platz 17.
Aber ein identisches Geburtsdatum? Abgeklärte Statistiker erzählen mir vom sogenannten Geburtstagsparadoxon. Es besagt, dass bereits in einer Gruppe von nur 23 Personen mit über fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit zwei am selben Tag Geburtstag haben. Allerdings spielt der Jahrgang dabei keine Rolle, bei uns schon. Insgesamt, sagt ein Berliner Mathematikprofessor, sei die Wahrscheinlichkeit, dass noch einige solcher „Doppelgänger“ wie wir in einer Großstadt wie Berlin leben, relativ hoch. Nur dass es einen selbst treffe, ergänzt er, sei doch recht unwahrscheinlich. Logik der Statistik.
Der Sachbearbeiter im Bürgeramt jedenfalls war verstört, rief Kollegen zu Rate und teilte mir schließlich mit, dass ich mitnichten so individuell sei wie vielleicht geglaubt, dass es eine zweite Person mit identischen Daten gebe. Nun gut, dachte ich. Nicht weiter schlimm. Ärgerlich wurde es erst später. Als das Finanzamt unsere Steuererklärungen durcheinander brachte, erst nur eine bearbeitete: ihre, nicht meine.
Also begann ich sie zu suchen, rief bei Stadt und Ämtern an. „Das ist ja schrecklich“, sagte man mir am Telefon und versprach Hilfe. Schließlich fand ich ihre Adresse, schrieb einen Brief: Hallo, ich bin deine Doppelgängerin, willst du mit mir einen Kaffee trinken. Sie wollte. „Das ist ja so unwahrscheinlich wie ein Lottogewinn“, schrieb mir Katja zurück. Dass ihre Eltern, Beamte, und meine Eltern, auch Beamte, zwei Ehepaare Reimann also, im Jahr 1980 ihren Töchtern denselben Vornamen gaben. Die eine geboren in einer Kleinstadt im Rheinland, spät am Abend, die andere in Berlin, ebenfalls abends. Sie hat zwei Brüder, ich habe zwei Brüder. Sie kickert gut – und ich könnte es gern.
Wir beide besitzen eine Brille, die wir nie tragen, weil sie uns nicht gefällt. Und wir beide sitzen beruflich ständig vor Computerbildschirmen. Katja arbeitet mit Zahlen, ich mit Worten.
Inzwischen sind beide Katjas aus Charlottenburg fortgezogen – die eine nach Friedrichshain, die andere nach Steglitz. Die Ämter waren erneut verwirrt, offizielle Post für die eine landete bei der anderen und andersherum.
Nun haben wir, damit die Post künftig ihren Weg findet, alles seine rechte Ordnung hat, begonnen, unsere Zweitnamen stets mit anzugeben – auch wenn wir sie beide nicht sehr mögen. Katja Ellen Reimann schreibe ich nun immer, sicher ist sicher. Unsere Handynummern haben wir ausgetauscht, wir treffen uns demnächst wieder. Und ganz bestimmt werden wir uns zum Geburtstag gratulieren. Vergessen können wir das Datum schließlich nicht.
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Überfall auf Spielcasino
Spandau, 13.10.
Vier bewaffnete Täter überfielen in der vergangenen Nacht ein Spielcasino in Spandau. Unter Vorhalt von Pistolen und einer Metallstange zwangen die Männer den 31-jährigen Angestellten des Casinos in der Lynarstraße gegen 0 Uhr 20 zum Öffnen der Spielautomaten sowie der Kasse. Mittels der mitgeführten Metallstange erhielt der Angestellte einen Schlag gegen den Kopf. Einen einzig anwesenden 56-jährigen Gast bedrohten die Männer ebenfalls und nahmen ihm Bargeld und sein Mobiltelefon ab. Anschließend flüchtete das Quartett zu Fuß in Richtung Schönwalder Straße. Der 31-Jährige musste wegen einer Kopfplatzwunde in einem Krankenhaus behandelt werden, der Gast blieb unverletzt. Ein Raubkommissariat der Polizeidirektion 2 hat die Ermittlungen übernommen.
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Bäckerei überfallen
Reinickendorf, 12.10.
Ein Unbekannter überfiel heute früh eine Bäckerei in Reinickendorf. Der Täter überraschte eine Angestellte gegen 5 Uhr 20 in der Backstube in der Quäkerstraße. Er bedrohte die 21-Jährige mit einem Messer, stieß sie mit Gewalt in eine Ecke und forderte Geld.
Die Überfallene kam mit einem Schock in eine Klinik, der Räuber entkam mit der Beute. Die weiteren Ermittlungen wegen schweren Raubes hat das Raubkommissariat der Polizeidirektion 1 übernommen.
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Arbeiter stürzte auf Gehweg
Friedrichshain-Kreuzberg, 12.10.
Mit lebensgefährlichen Verletzungen musste heute Vormittag ein 48-jähriger Arbeiter ins Krankenhaus gebracht werden. Der Unfall ereignete sich gegen 9 Uhr 50 bei Sanierungsarbeiten an einem Gebäude in der Müllenhoffstraße in Kreuzberg. Nach bisherigen Erkenntnissen wollte der 48-Jährige im 6. Stockwerk einen Fensterrahmen von einem am Baugerüst befestigten Lastenaufzug abladen. Dabei öffnete sich aus noch unklarer Ursache eine Bodenklappe des Aufzugs. Der Arbeiter stürzte durch die Öffnung ca. 20 Meter tief auf den Gehweg. Er schwebt weiter in Lebensgefahr.
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Letztes Wort
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„The ladies have to go first… Get in the lifeboat, to please me… Good-bye, dearie. I’ll see you later.“ („Die Damen müssen zuerst gehen… Geh in das Rettungsboot, tu mir den Gefallen… Lebewohl, Liebste. Ich werde dich später sehen.“) [zu seiner Frau Madeleine auf der sinkenden Titanic]
John Jacob Astor IV, US-amerikanischer Geschäftsmann. „Der Hotelier und seine Frau fanden sich auf der Backbordseite des Promenadendecks ein, wo Madeleine und andere Frauen in Rettungsboot Nr. 4 stiegen. In diesem Boot saß sie neben anderen Millionärsgattinnen wie Emily Ryerson, Lucile Carter oder Marian Thayer. Astor bat, sich seiner Frau anschließen zu dürfen, da sie schwanger war, doch der zuständige Offizier duldete keine Männer in den Rettungsbooten. Astor gab auf und unternahm keinen Versuch, seinen Reichtum ins Spiel zu bringen. Stattdessen sah er sich um und setze einen kleinen Jungen in das Rettungsboot. Er erkundigte sich noch nach der Nummer des Bootes. 15 Minuten, nachdem das Boot abgefiert (Fieren – auch auffieren – ist ein Begriff aus der Schifffahrt, der das kontrollierte Lose-Geben einer Leine beschreibt (unfachmännisch: das kontrollierte Loslassen beziehungsweise Lockerlassen eines „Seils“, einer Kette usw.) worden war, ging die Titanic unter. Die Schornsteine brachen einer nach dem anderen ab und erschlugen viele Passagiere, darunter vermutlich auch Astor, dessen Leichnam starke Russ- und Farbspuren aufwies.“ Wikipedia-Biographie
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