26.10.
Rede des Bundespräsidenten in der Türkei
Unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger türkischer Herkunft stellen die größte Gruppe der Einwanderer in Deutschland. Sie sind in beiden Kulturen zu Hause. Sie sind in unserem Land herzlich willkommen und sie gehören zu unserem Land.
In den 60er Jahren haben die damals so genannten „Gastarbeiter“ den wirtschaftlichen Aufschwung entscheidend unterstützt. Unter persönlich oft schwierigen Bedingungen haben sie gute Arbeit geleistet. Ihr Beitrag verdient hohe Anerkennung und wir sind ihnen zu Dank verpflichtet.
Viele Menschen türkischer Herkunft haben inzwischen in Deutschland Wurzeln geschlagen, haben studiert, Unternehmen gegründet und zahlreiche wertvolle Arbeitsplätze geschaffen. Viele sind deutsche Staatsbürger geworden. Das ist ein gutes Zeichen. Ich ermutige alle in meiner Heimat, sich verantwortungsvoll einzubringen. Als ihr aller Präsident fordere ich, dass jeder Zugewanderte sich mit gutem Willen aktiv in unsere deutsche Gesellschaft einfügt.
Einwanderer haben Deutschland vielfältiger, offener und der Welt zugewandter gemacht. Das Zusammenleben in Vielfalt ist aber auch eine große Herausforderung. Es ist wichtig, dass wir unsere Probleme klar benennen. Dazu gehören das Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung. Es sind beileibe nicht nur Probleme von und mit Einwanderern! Durch multikulturelle Illusionen wurden diese Probleme regelmäßig unterschätzt. Der offene und respektvolle Dialog ist Voraussetzung für erfolgreiche Integration.
Niemand muss und soll seine kulturelle Identität aufgeben oder seine Herkunft verleugnen. Es geht darum, die Regeln und Gesetze des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft zu achten und zu schützen. Dazu gehören unsere Verfassung und die in ihr festgeschriebenen Werte: zu allererst die Menschenwürde, aber auch die freie Meinungsäußerung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und der religiös und weltanschaulich neutrale Staat.
Es geht auch darum, die deutsche Sprache zu lernen, Recht und Gesetz einzuhalten und sich mit den Lebensweisen der Menschen vertraut zu machen. Wer in Deutschland leben will, muss sich an diese geltenden Regeln halten und unsere Art zu leben akzeptieren. Ich bin Staatspräsident Gül, Premierminister Erdogan und Europaminister Bagis dankbar, die ja allesamt in den letzten Tagen zu Integration aufgerufen haben.
In Deutschland ausgebildete islamische Religionslehrer und Deutsch sprechende Imame tragen zu einer erfolgreichen Integration bei. Es ist notwendig, dass wir fundamentalistischen Tendenzen entgegenwirken. Wir dulden erst recht keinerlei Extremismus. Aber wir dürfen uns auch nicht in eine falsche Konfrontation treiben lassen.
Ebenso wie Deutschland hat die Türkei in den letzten Jahren große Veränderungen erfahren. Sie haben wichtige Entscheidungen getroffen, um Gesetzgebung und Institutionen zu modernisieren. Besonders die jüngsten Verfassungsänderungen haben wir mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Türkei nähert sich mit diesen Reformen erneut ein Stück den europäischen Standards an. Ich möchte Sie ausdrücklich ermuntern, auf diesem Weg fortzuschreiten.
Die Türkei kann zeigen, dass Islam und Demokratie, Islam und Rechtsstaat, Islam und Pluralismus kein Widerspruch sein müssen. Ihr Land verbindet ein modernes Staatsverständnis mit einem lebendigen Islam. Nicht zuletzt zeichnet es die Türkei aus, dass sie sowohl nach Westen als auch nach Osten schaut. Mit dem Nahen und Mittleren Osten verbinden Ihr Land Jahrhunderte alte kulturelle und wirtschaftliche Bande. Eine im Westen verankerte Türkei, die eine aktive, stabilitätsorientierte Nachbarschaftspolitik im Osten betreibt, ist als Brücke zwischen Okzident und Orient ein Gewinn für Europa.
Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer Anbindung der Türkei an die Europäische Union. Wir hoffen, dass Sie den Weg nach Europa fortsetzen, der durch Ihren großen Staatsmann Mustafa Kemal Atatürk geöffnet wurde. Wir halten an der Entscheidung fest, die Beitrittsverhandlungen in einer fairen und ergebnisoffenen Weise zu führen. Gleichzeitig erwarten wir, dass die Türkei ihre eingegangenen Verpflichtungen erfüllt.
Unsere Nationen gehören schon seit langem gemeinsam dem Europarat an. Seine Prinzipien, Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt sind, binden uns. Dazu gehört auch der Schutz der Minderheiten sowie religiöser und kultureller Pluralismus. Muslime können in Deutschland ihren Glauben in würdigem Rahmen praktizieren. Die zunehmende Zahl der Moscheen zeugt hiervon.
Gleichzeitig erwarten wir, dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen. In allen Ländern müssen Menschen die gleichen Rechte und Chancen genießen, unabhängig von ihrer Religion.
Hier in der Türkei hat auch das Christentum eine lange Tradition. Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei. Ich freue mich, an diesem Donnerstag in Tarsus einen ökumenischen Gottesdienst mitfeiern zu können. Ich höre mit großer Begeisterung, dass in der Türkei Stimmen zu hören sind, die mehr Kirchen für Gottesdienste öffnen wollen. Zu dieser Entwicklung möchte ich Sie nachhaltig ermutigen: Die Religionsfreiheit ist Teil unseres Verständnisses von Europa als Wertegemeinschaft. Wir müssen religiösen Minderheiten die freie Ausübung ihres Glaubens ermöglichen. Das ist nicht unumstritten, aber es ist notwendig. Das friedliche Miteinander der verschiedenen Religionen ist eine der großen Zukunftsaufgaben dieser Welt im 21. Jahrhundert. Sie ist bei gutem Willen und Respekt vor der Würde eines jeden Menschen lösbar.
Deutschland und die Türkei haben zusammen viel erreicht. Es ist mein persönliches Anliegen, der deutsch-türkischen Partnerschaft und Freundschaft mehr und mehr Gewicht zu verleihen. Treten wir gemeinsam ein für eine wirtschaftlich starke, innovative, menschliche und dem Frieden verpflichtete Welt im 21. Jahrhundert. Ganz im Sinne Mustafa Kemal Atatürks: „Yurtta baris, dünyada baris“ – „Frieden im Lande und Frieden in der Welt“.
Schluss.
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Berliner Polizeibericht
Leergutsammler überfallen
Mitte, 25.10.
Bei einem Überfall wurde gestern Abend in Mitte ein Mann leicht verletzt. Gegen 19 Uhr hatten drei Männer im Treppenaufgang des U-Bahnhofes Weinmeisterstraße versucht, einem 27-Jährigen dessen Taschen mit gesammelten Leergutflaschen zu entreißen. Da er sich zur Wehr setzte, trat ihm einer der Täter in den Rücken, so dass er zu Boden fiel. Als Passanten auf die Tat aufmerksam geworden waren und dem Überfallenen zu Hilfe kamen, ließen die drei vom ihm ab und flüchteten ohne Beute aus dem U-Bahnhof. Im Nahbereich des Bahnhofes nahmen alarmierte Polizisten des Polizeiabschnitts 31 zwei der drei Tatverdächtigen fest. Der 27- und der 35-Jährige wurden für die Kriminalpolizei der Direktion 3 eingeliefert. Der Leergutsammler wurde zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus gebracht.
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Munitionsvernichtung auf Sprengplatz Grunewald – AVUS kurzzeitig gesperrt
Steglitz-Zehlendorf, 25.10.
Wegen der regelmäßig im Herbst stattfindenden Sprengungen zur Munitionsvernichtung ist am Mittwoch, den 27. Oktober 2010, die BAB A 115 „AVUS“ gegen 10 Uhr in beide Richtungen zwischen Hüttenweg und Nikolassee für wenige Minuten gesperrt.
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Letztes Wort
„Ich bin unschuldig.“ [unsicher; hingerichtet] Quelle: David King: Stalins Retuschen, S. 181
Lawrenti Beria, sowjetischer Politiker und Geheimdienstchef, 1953