Christoph Riedweg:
Exegese als Kampfmittel in der Auseinandersetzung
zwischen Heiden und Christen
Zum „Sündenbock“ von Leviticus 16 bei Julian und Kyrill von Alexandrien
Montag, 20. Juni 2011, 20 Uhr
Heilig-Geist-Kapelle in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
der Humboldt-Universität zu Berlin, Spandauer Str. 1, 10178 Berlin
Ohne Exegese keine Philosophie und keine Theologie: So könnte man, leicht zugespitzt, die intellektuelle Situation der Spätantike umreißen. Die Lektüre und Auslegung anerkannter, als ‚normativ‘ verstandener Texte war spätestens seit der Dominanz des Platonismus in der Kaiserzeit ebenso für das pagane wie für das jüdisch-christliche Denken konstitutiv.
Auch in der Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen spielt die Frage nach der ‚richtigen’ Exegese eine zentrale Rolle, wobei der gegnerischen Seite in der Regel das für die eigene Tradition selbstverständlich beanspruchte Recht auf eine über den Wortsinn hinausgehende, allegorische Deutung energisch abgesprochen wird.
Als besonders vertracktes Beispiel analysiert Christoph Riedweg von der Universität Zürich, wie Julian, Contra Galilaeos fr. 70 Masaracchia, und Kyrill von Alexandrien, Contra Iulianum 9,957Dff., mit der Erzählung vom ‚Sündenbock‘ in Leviticus 16 umgehen.
Der Vortrag findet aus Anlass der feierlichen Eröffnung des Akademienvorhabens „Die alexandrinische und antiochenische Bibelexegese in der Spätantike” statt. Das neue Akademienvorhaben wird in den nächsten 25 Jahren Auslegungen in Gestalt von Predigten und Kommentaren – zunächst aus dem Altern Testament – kritisch herausgeben. Dazu gehören die eher alltäglichen Kommentierungen biblischer Texte für ein breiteres Publikum in den Gottesdiensten und die an den Maßstäben wissenschaftlicher Kommentarliteratur der Antike orientierten ausführlichen, oft vielbändigen Interpretationen.