Berliner Abendblätter 2.00 am 1.10.2010

1.10.2010
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Fliehe deine Niederlage,
meide dich herauszuheben!
Dein Versagen käm´ zutage.

Flieh´ auch des Anderen Niederlagen,
die deine Siege ergeben!
Hab´ den Erfolg nicht Andere zu plagen.

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Sibylle an der Spree: zynisch? Argumentation ohne Artikel 1 GG
Würde und Wert im Lohn- und Preisgefüge

U. von der Leyen stellte am 27.9. die Berichtigung der Grundsicherungsberechnng und ihre Philosophie vor.
Pursuit of happiness ist demnach nicht gewünscht: Alg II-Empfänger dürfen nicht Lotto spielen nach der Bewertung der Exekutive und demnächst des Gesetzgebers. Nicht nur die US-Verfassung wird geschmäht. Leben auf niedrigstem Leben hat stattzufinden ohne Pauschalreisen, Schnittblumen, Restaurantbesuche (auf Warenwert berechnet, ein Abendessen ist drin), Alkohol, Tabak („Genussgifte“!), Tierfutter, Gartengeräte. Aber mit softwaredownloading for internet potatoes. Der Anreiz zur Arbeit muss nämlich bleiben, Alg II-Förderung ist Übergang, nicht Dauerzustand.
Das Ministerstatement schließt mit Goethe: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man was Schönes bauen.“
Fragen kommen in der Bundespressekonferenz auf, einem Hartz-Vakuum, weil dort kein Mensch sitzt, der auch nur ansatzweise betroffen ist: Wieviel Prozent der unteren Schichten sind Bemessungsgrundlage? 20% wie zuletzt? Nein, 15% der Selbstverdiener! Zirkelschlüsse müssen vermieden werden, sprich die zu Bemessenden dürfen nicht ihre eigene Grundlage sein. Durch die veränderte Grundlegung würden Transferempfänger begünstigt! Dabei ist eine Kombination von Lohn- und Preisentwicklung Ausgang der Berechnung.
Der Zirkelschluss ist jedoch nicht aus der Welt: die ärmsten Selbstverdiener (und die sind noch nicht der Mittelstand) sind nämlich Aufstocker!
Die Ministerin behauptet, die Sichtweise käme vom Gericht. Die „Mit-Zahlen-Hausierer“, wie diejenigen genannt werden, die einen höheren Grundbetrag fordern, seien gefordert: wie kommen die zu ihren Berechnungen? Gemeint sind die Akteure der parlamentarischen Opposition und der sozialen Verbände und Gewerkschaften.
Durch die Zugrundelegung der Rohdaten der Einkommens- und Verbrauchsberechnung würden die derzeitigen 20,9 Milliarden Euro Grundsicherung unterschritten!
Wo liegen die Probleme bei den Zuverdienstregelungen? Es seien Simulationsanalysen bei „renommierten Instituten“ in Auftrag gegeben worden. Der Durchschlag von Regelungen aufs Verhalten der Menschen sei schwer einzuschätzen und müsse abgewartet werden.
Dann ist die Rede von 140.000 Ein-Euro-Jobs und dem „Ich darf ja nicht mehr verdienen, sonst wird mir zuviel angerechnet“-Phänomen. Wer selbstverdienend ist, zahlt sofort GEZ, ÖPNV, Praxisgebühr aus 700 Euro!
In einem ist Frau von der Leyen sicher: Künstlich darf die Zahl der Arbeitslosen nicht erhöht werden!
Vollzeitarbeit muss einen Menschen tragen! Dies ist das Credo, was die Ministerin allerdings nicht animiert, Mindestlöhne zu verlangen. Vielmehr haben diese Fragen Priorität: Was hält die Branche aus? Was hält das Land aus?
Tarifautonomie müsse weiterentwickelt werden! In ärmeren Regionen sollen also auch bescheidenere Schlüsse beim Kampf der Tarifpartner herauskommen können. Das Thema streift immer wieder philosophisch-ethische Fragestellungen: Ist Bildung lebensnotwendig/existenzsichernd und wenn ja für wen? Gilt der„Paradigmenwechsel“ in Sachen Bildung nur für Kinder? Hätten Erwachsene nicht auch Recht auf Bildung?
Prof. Dr. Emanuel Richter kommentiert und diagnostiziert im Phönix-Sender: Es gäbe eine Trickserei mit der Transparenz. Die Wertegrundlage, nicht die Kassenlage definiere die Obergrenze des Staatsetats, der auch durch Schulden auzustocken ist, wenn es um Artikel 1 GG geht. Cem Özdemir fordert, es solle die Abwärtsdynamik aufgehalten werden durch eine Aufwärtsmobilität. Gesine Lötzsch ruft nach einem Bündnis gegen dies alles!
Christian Lindner ist für Onlinebeteiligung vs. Genussmittel. Diese Wertedebatte sei eine der Fachpolitiker und der Strategen! Und im übrigen: „Keine Umverteilungsdiskussion!“ Manuela Schwesig sprach tags zuvor auf dem Kleinen Bundesparteitag der SPD mit dem Motto „Werkstatt Faires Deutschland“. Ein menschenwürdiges Existenzminimum schließe soziokulturelle Teilhabe ein, also Musikverein, Sportverein, warmes gesundes Essen.
Im Koalitionsvertrag von 2009 steht der Satz: „Hartz IV -Empfänger sollen besser gestellt werden!“
Emanuel Richter erinnert an die Dreifaltigkeit: Budgetumverteilung zwischen den Ressorts, Schuldenhöhe und Steuerhöhe. Die Kassenlage ist Folge einer Debatte in diesem (Bermuda?)-Dreieck.
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Berliner Polizeibericht
Vollstreckung von Durchsuchungsbeschlüssen in DRK-Kliniken
Gemeinsame Meldung mit der Staatsanwaltschaft Berlin, 30.9.

Rund 300 Polizeibeamte durchsuchten heute im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin mehrere Wohn- und Geschäftsräume von Ärzten und Mitarbeitern der Kliniken und Medizinischen Versorgungszentren des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin.
Diese Durchsuchungsmaßnahmen sind das Ergebnis fortgesetzter Ermittlungen wegen des banden- und gewerbsmäßigen Betruges im Gesundheitswesen seitens der Geschäftsführung und Ärzte in Führungsfunktionen der Kliniken und Medizinischen Versorgungszentren des DRK in Berlin.
In diesem Verfahren wurden bereits am 9. Juni Durchsuchungsbeschlüsse und Haftbefehle vollstreckt. Zum damaligen Zeitpunkt beschränkte sich der Verdacht auf drei Abteilungen der Radiologie, in denen mit Unterstützung der damaligen Geschäftsführung ambulante Untersuchungen von nicht zugelassenen, teilweise nicht ausreichend qualifizierten Assistenzärzten durchgeführt worden waren.
Die Ermittlungen ergaben nunmehr den Verdacht, dass es sich um eine seit 2005 organisierte Tatbegehungsweise handelt, die alle Fachbereiche der Medizinischen Versorgungszentren des DRK in Berlin betrifft, in denen ambulante Behandlungen von gesetzlich Versicherten durchgeführt werden.
So sollen Ärzte zwar für bestimmte Wochenarbeitsstunden bei der MVZ GmbH eingestellt, tatsächlich aber in anderen Bereichen der DRK-Kliniken eingesetzt worden sein, obwohl die Abrechnung der angeblich von diesen Ärzten erbrachten ambulanten Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin in Höhe der angemeldeten Stunden erfolgte.
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Einmal Polizist – Immer Polizist
Reinickendorf, 30.9.
Mit Marmeladengläsern schlug ein pensionierter Polizeibeamter heute Mittag einen Räuber in Reinickendorf in die Flucht. Der 88-Jährige war gegen 11 Uhr 30 Kunde in einem Supermarkt am Meller Bogen einkaufen, als er einen teilmaskierten Mann beobachtete, der die 47-jährige Kassiererin mit einem Messer bedrohte und sie zum Öffnen der Kasse aufforderte. Der ehemalige Polizist griff beherzt in die Auslagen und bewarf den Räuber mit den Konserven. Hiervon völlig überrascht, flüchtete selbiger unverrichteter Dinge aus dem Geschäft. Die Überfallene kam mit dem Schrecken davon. Ein Raubkommissariat der Polizeidirektion 1 hat die weiteren Ermittlungen wegen versuchten schweren Raubes übernommen.
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Mann beraubt und homophob beleidigt
Mitte
Ein 35-jähriger Mann wurde in den Morgenstunden des letzten Sonntags in Mitte Opfer eines Raubüberfalls. Er begab sich nach eigenen Angaben nach dem Überfall zunächst zu seiner Wohnanschrift und legte sich schlafen. Gegen 14 Uhr 40 alarmierte er die Polizei zu seiner Wohnung und zeigte den Überfall an. Nach seinen Schilderungen wurde er gegen 4 Uhr 30 am Treppenzugang des U-Bahnhofs Heinrich-Heine-Straße von vier unbekannt gebliebenen Jugendlichen angegriffen und geschlagen. Anschließend raubten die Täter ihm seine Jacke in der sich seine Geldbörse sowie sein Handy befanden. Zudem wurde er homophob beleidigt.
Da das Opfer über starke Schmerzen klagte und sich in einem auffällig schlechten Gesundheitszustand befand, riefen die Polizeibeamten die Feuerwehr. Nach einer Begutachtung durch die Rettungskräfte wurde im Weiteren ein Bereitschaftarzt hinzugezogen. Eine weitere Vernehmung wurde auf Wunsch des 35-Jährigen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Beamte der ermittelnden Dienststelle nahmen am Vormittag des 27. September telefonisch Kontakt mit dem Überfallenen auf. Er gab an, sich erneut zu melden, wenn es ihm gesundheitlich besser ginge.
Rettungskräfte der Feuerwehr wurden am darauffolgenden Tag gegen 14 Uhr 45 durch Angehörige zur Wohnanschrift des Opfers nach Schöneberg alarmiert und fanden den 35-jährigen leblos auf.
Nach dem vorläufigen Ergebnis einer durchgeführten Obduktion litt der 35-Jährige unter einer im Endstadium befindlichen Krebserkrankung. Die ihm beim Überfall beigebrachten Schläge waren nicht ursächlich für sein Ableben.
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Letztes Wort

„Thomas Jefferson still survives.“ („Thomas Jefferson lebt immer noch.“)
John Adams, US-amerikanischer Politiker, 2. Präsident der Vereinigten Staaten. Er irrte, denn Jefferson, 3. Präsident der Vereinigten Staaten, starb am selben Tag, dem 4.7.1826 (50. Jahrestag der Unabhängigkeit), wenige Stunden zuvor.