11.2.
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Lärmbelästigung
CDU-Senioren gegen Kitas in Wohngebieten
Leonhard Kuckart, der Vize-Bundesvorsitzende der Senioren-Union, stellt sich gegen die Pläne der Regierung – und warnt schon mal vor einem „Aufstand der Älteren“.
„Kinderlärm ist für mich wie Musik“: Das ist ein Satz, den Leonhard Kuckart schon oft gehört hat und als pauschal verurteilt. Schließlich sei Kindergeschrei, wie es oft in Kindertagesstätten (Kitas) zu hören ist, für viele eine unzumutbare Lärmbelästigung. Genau wie das Hämmern eines Pressluftbohrers. Deswegen hat sich Kuckart, der Vize-Bundesvorsitzende der Senioren-Union, an seinen Parteikollegen Norbert Röttgen (CDU) gewandt.
Der Bundesumweltminister nämlich will das Bundes-Immissionsschutzgesetz um eine Klausel ergänzen, die besagt: Kinderlärm ist „im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung“. Demnach sollen Kitas in Wohngebieten „generell zugelassen“ werden. Die Regierung will so Klagen stoppen, die sich gegen geplante Kitas in Wohngegenden richten. Wiederholt haben lärmempfindliche Bürger versucht, gegen Kitas in der Nachbarschaft vorzugehen. Der Gesetzentwurf wird kommende Woche im Kabinett beraten.
Doch der Minister hat die Rechnung ohne die Senioren gemacht, die mit rund 57.000 Mitgliedern nach der Jungen Union die zweitgrößte Bundesvereinigung der CDU stellen. Die Klausel müsse verschwinden, fordern sie: „Ich habe das Gefühl, dass hier eine Ausnahmeregelung getroffen wird, die wirklich zu unnötigen Konflikten führt“, erläutert Kuckart. „Man kann nicht von älteren Menschen erwarten, dass sie bis zur Selbstaufgabe alles ertragen“ und verweist auf den wohlverdienten Ruhestand. Sollte es natürlich wissenschaftliche Studien geben, die die Schädlichkeit von Kinderlärm widerlegen, dann, ja dann könne man von der Kritik an Röttgens Vorhaben absehen.
Den Vorwurf der Kinderfeindlichkeit hält Kuckart für ein Totschlagargument. „Ich bin nicht gegen Kinderlärm, ich bin nicht gegen Kinder. Kinder haben das Recht sich auszutoben. Aber es gibt auch das Recht älterer Menschen.“ Und die seien nun einmal ruhebedürftiger.
Man glaubt Kuckart, dass er „versöhnen statt spalten“ will. Aber wo sollen sie hin, die Kitas? Auf die grüne Wiese? Neben das Einkaufszentrum? Kuckart bleibt diesbezüglich vage: „Die gibt es doch heute schon überall – Kinderspielplätze und -tagesstätten – bei denen es keine Probleme gibt.“ Er vertraue darauf, dass die Kommunalpolitik, wie bisher, die Interessenkonflikte löse – ohne Kinderklausel. Die Gefahr eines Generationenkonflikts hält Kuckart sonst für sehr groß. „Irgendwann werden die wach und dann kommt der Aufstand der Älteren.“ Schon jetzt dränge sich der Eindruck auf, dass „ältere Menschen nicht mehr so wertvoll sind, wie junge Menschen“.
Nun sieht es gerade in Westdeutschland bei der Kinderbetreuung noch dürftig aus. Es kann sein, dass im Fall einer geglückten Familienpolitik das ein oder andere Mitglied der Senioren-Union irgendwann einen Kita-Neubau vor der Haustür hat. Dank des dazugehörigen Kindergeschreis könnten die Betroffenen dann immerhin das Motto der CDU-Senioren leben, das da heißt: Hellwach!
Marten Hahn, fr-online, 10.2.
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Ihr Kommentar
10.02.2011
09:21 Uhr
Laurenz sagt:
Tja, wer wie ich oft im europäischen Ausland sich aufhält, der weiß die Kinderfreundlichkeit unserer Nachbarn sehr zu schätzen. Wieder daheim in der Bundesrepublik, fällt ihm dann der Muff erst richtig auf. Diese extreme Kinderfeindlichkeit gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Kinder als Nachwuchs, als unsere Zukunft – überall auf der Welt wird das zu schätzen gewußt. Dementsprechend werden Kinder geliebt und nicht gehaßt. Nur in diesem Lande hier nicht. Es ist – ich richte das an Sie, Herr Kuckart! – erbärmlich! Unbeschreiblich armselig und erbärmlich. Es reicht wohl noch nicht, daß die Kindersterblichkeit in diesem Lande hier – denken wir stellvertretend an Mirko und Anna – wächst und wächst. Jetzt kommen auch noch Sie und Ihre Kumpane und beschweren sich darüber, daß Kinder – … mehr
Tja, wer wie ich oft im europäischen Ausland sich aufhält, der weiß die Kinderfreundlichkeit unserer Nachbarn sehr zu schätzen. Wieder daheim in der Bundesrepublik, fällt ihm dann der Muff erst richtig auf. Diese extreme Kinderfeindlichkeit gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Kinder als Nachwuchs, als unsere Zukunft – überall auf der Welt wird das zu schätzen gewußt. Dementsprechend werden Kinder geliebt und nicht gehaßt. Nur in diesem Lande hier nicht. Es ist – ich richte das an Sie, Herr Kuckart! – erbärmlich! Unbeschreiblich armselig und erbärmlich. Es reicht wohl noch nicht, daß die Kindersterblichkeit in diesem Lande hier – denken wir stellvertretend an Mirko und Anna – wächst und wächst. Jetzt kommen auch noch Sie und Ihre Kumpane und beschweren sich darüber, daß Kinder – spielende Kinder! – zu laut sind. Schande über Sie und Ihre Konsorten. Wissen Sie eigentlich, was Sie da anrichten?
10.02.2011
09:22 Uhr
Susi sagt:
also ich möchte auch nicht neben einer kita wohnen wollen und ich bin ganz bestimmt kein cdu-senior. tag für tag von morgens bis abends kindergeschrei ist für niemanden zumutbar. versteh auch gar nicht, weshalb sich kitas unbedingt in wohngebieten befinden müssen.
10.02.2011
09:25 Uhr
Kinderlärmertrager sagt:
Kinderfreundliches Deutschland. Hauptsache „die Rente ist sicher, hoffentlich wandern die ungeliebten Blagen alle aus, dann gibt´ s keine Rente mehr.
10.02.2011
09:34 Uhr
SteinerII sagt:
Ich bin früh Vater geworden und seit langem Opa. Aber eins ist klar, eine Kita neben unserem Haus möchte ich auf gar keinen Fall. Alle die hier so klugscheißern empfehle ich mal eine Stunde lang neben einer Kita auszuharren. Dabei sollte ein Messgerät nicht fehlen. Wer gegen Fluglärm ist, der sollte sich mal die Messwerte neben einer Kita anhören. Derjenige, der da wohn hat das ca 250 Tage im Jahr von morgens bis abends.
10.02.2011
09:34 Uhr
Fred sagt:
@Susi: Das verstehen Sie nicht? Daß Kitas in Wohngebieten existieren sollen? Wo denn sonst? Etwa am Stadtrand im Gewerbegebiet? Oder noch besser: Sperren Sie unseren Nachwuchs doch in ein Ghetto. Nein, meine sehr Verehrte, auch wenn Sie nicht zu Kuckarts Klientel gehören: Ihre Argumentation zeigt die Gefährlichkeit eines politischen Brandstifters wie Kuckart mehr als deutlich. Oder waren Sie nie in einem Kindergarten? Dann haben Sie etwas verpaßt: Das LEBEN nämlich.
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Letztes Wort
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„Lauds be given to the Father of Heaven, for now I know that I shall die here in this chamber, according to the prophecy of me declared, that I should depart this life in Jerusalem.“ („Lobgesänge für den Vater im Himmel, denn jetzt weiß ich, dass ich hier in diesem Raum sterben werde, wie es mir in der Prophezeiung kundgetan wurde, dass ich in Jerusalem aus diesem Leben scheiden werde.“) [er wurde vor einer geplanten Jerusalemreise gewarnt, weil er dort sterben werde, starb aber in einem Gemach, das auch den Namen Jerusalem trägt]
Heinrich IV. von England, König, 1413
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