berliner abendblätter 2.00 am 12.1.

12.1.
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Der Risikofreund
Fortsetzung und Schluss
„Schummler“ mit solider Vorgeschichte
Aber in Gribkowskys Vita deutete nichts darauf hin. „Mir sind die Vorfälle ein Rätsel“, klagt Otto Wiesheu, früher Minister in Bayern. „Er war ein harter Knochen, aber völlig untadelig, absolut loyal zur Bank.“ Ein Frankfurter Banker, der Gribkowsky aus gemeinsamen Tagen bei der Deutschen Bank kennt, seufzt, man müsse wohl doch allen alles zutrauen. „Aber für einen Schummler hätte ich ihn wirklich nicht gehalten.“
Dagegen sprach schon Gribkowskys solide Vorgeschichte: Kaufmannslehre, Jurastudium mit Promotion an der renommierten Universität Freiburg. Es folgte ein Aufstieg bei der Deutschen Bank. Diesen Weg bahnte Gribkowsky sich wie ein Bulldozer. Seine Untergebenen fürchteten, aber respektierten den bulligen Macher mit dem kurzgeschorenen Haar, der mit der Aggressivität eines Investmentbankers durch die Abteilungen pflügte. Die Deutsche Bank vertraute ihm ein Mammutprojekt an, er sollte das Kreditgeschäft für die Firmenkunden neu strukturieren.
Drei Schachteln Zigarillos qualmte Gribkowsky damals am Tag. Wenn der Chef den Mitarbeiterschwarm zum Meeting rief, qualmte er weiter. „Stört es Sie, wenn ich rauche?“ Diese Wortfolge fehlte in Gribkowskys Satzbaukasten. Für Sensibelchen hatte er nichts übrig und schon gar keine Zeit.
Wie musste der Mann erst auf die biederen bayerischen Banker wirken? Zu ihnen kam Gribkowsky 2003, als die Landesbank sich erstmals ein vernünftiges Risikomanagement gönnen wollte. 4,5 Milliarden Euro Risikovorsorge waren nötig, und Gribkowsky wurde der Mann für die Altlasten, wie die von Kirch geerbte Formel 1. Sein Job war heikel. Er durfte Ecclestone nicht ganz verprellen, verklagte ihn aber immerhin bis zum britischen High Court, um als Hauptanteilseigner wenigstens ein bisschen Einfluss im Firmengeflecht zu erhalten. Nebenbei musste Gribkowsky mit zwei Investmentbanken auf Käufersuche gehen und auch noch die Auto-Fraktion bei Laune halten: Die mächtigen Rennställe meuterten, weil sie sich von Ecclestone übers Ohr gehauen fühlten. Sie drohten, eine eigene Liga zu gründen – dann wäre die Formel 1 am Ende und die Bayern LB ein paar Milliarden weniger wert gewesen.
Gribkowsky klotzte ran. Telefonkonferenzen mit ihm waren ein Erlebnis, erinnert sich einer, der damals für Lehman Brothers in der Leitung hing. „Da prallten gewaltige Egos aufeinander.“ Flavio Briatore, Luca de Montezemolo, Ecclestone und eben „G. G.“, wie er in der Bayern LB hieß. Mit dröhnender Stimme meldete der Mann sich zu Wort, redete endlos und mit Liebe zum Detail. „Wenigstens konnte er fließend Englisch“, spottet der Investmentbanker, „wenn auch mit starkem Akzent.“
Als G. G. 2005 einen Deal aus dem Hut zauberte und die ungeliebten Formel-1-Anteile an den Finanzinvestor CVC verkaufte, bejubelte man ihn bei der Bayern LB. Dass Ecclestone bei dem Geschäft seine Macht behielt, interessierte da schon weniger. Heute sehen Fahnder darin eine mögliche Erklärung für die 50 Millionen. Gribkowsky habe alle Augen zugedrückt und den Wert der Formel-1-Anteile gar nicht erst bewertet, vermuten die Staatsanwälte. „Absoluter Blödsinn“, beteuert Ecclestone: „Ich habe ihn nicht bestochen.“ Auch der Lehman-Banker hat so seine Zweifel. „Wir haben jahrelang nichts anderes gemacht, als über den Wert dieser Anteile zu streiten. Ganz ohne Bewertung hätte niemand unterschrieben.“ Aber ob die Bewertung seriös war oder ob Gribkowsky sie passend zu seinem privaten Verhandlungsergebnis gestalten ließ – das ist eine andere Frage.
Wieso geht ein Risikomanager dieses Risiko ein? „Der Mann ist eigentlich kein Playboy, der unbedingt im Jetset mitspielen will“, sagt einer, der damals für die Autofirmen in den Konferenzräumen saß. Eine junge Freundin habe der geschiedene Gribkowsky gehabt, aber von Boxenludern ließ er die Finger, Champagner-Duschen liebte er auch nicht. Führte ihn trotzdem der Luxus der Rennwelt in Versuchung? 500 000 Euro Jahresgehalt bekam Gribkowsky von der Bayern LB, ein Bonus für den Formel-1-Deal wurde ihm verweigert. Die Auto-Magnaten müssen mitleidig gekichert haben, wenn sie von der Summe hörten. Vielleicht kicherten sie auch, wenn Gribkowsky in Hörweite war.
Rausschmiss statt Aufstieg
Vielleicht beruhigte auch sein österreichischer Steueranwalt den Banker, dass er die Millionen risikofrei unterbringen könnte. Magister Gerald Toifl, mit bravem Bubi-Gesicht und randloser Brille, bastelte die Stiftung und diverse andere Firmen für Gribkowsky. Ob auch gegen Toifl ermittelt wird, wollten die Staatsanwälte nicht bestätigen. Toifls Kanzlei-Partnern scheint dessen Premium-Mandat inzwischen unheimlich zu sein – am vergangenen Freitag haben sie ihn aus der Sozietät komplimentiert.
Gribkowskys Abgang von der Bayern LB kam ähnlich schnell, nicht allzu lang nach dem HGAA-Kauf. Seine Hoffnung, den schon geschassten Chef Werner Schmidt zu beerben, zerstob. Angesichts der Milliardenlasten der Bank richteten sich alle Finger auf den Risikovorstand. Statt des Aufstiegs kam der Rausschmiss, mit sofortiger Wirkung im April 2008: „Wir wünschen ihm für seinen weiteren Berufsweg alles Gute“, meldete der Verwaltungsrat kühl. Seither privatisierte der Power-Banker in Grünwald, vertrieb sich die Zeit mit ein paar Aufsichtsratsmandaten, etwa beim Baukonzern Züblin oder dem Spiel „Farmville“ auf Facebook. Sein Gehalt zahlte die Bayern LB eine Weile weiter, doch seit ihre Krise auch strafrechtlich aufgearbeitet wird, wurden die Zahlungen gestoppt. Nun wollen die Österreicher auch noch Gribkowskys Stiftungsvermögen einfrieren. Es wird also alles immer riskanter.
Von Melanie Amann, 9.1.
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Berliner Polizeibericht
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Mann erlag schweren Verletzungen durch herabstürzendes Eis
Mitte, 10.1.
Ein 53-jähriger Mann erlag am Samstag in einem Krankenhaus seinen schweren Verletzungen, die er am Silvestertag durch herabstürzende Eisbrocken in Gesundbrunnen erlitten hatte.
Ermittlungen der Kriminalpolizei zufolge hatte der Mann am 31. Dezember 2010 gegen 14 Uhr 20 in einem Hinterhof eines Wohnhauses der Soldiner Straße mit der Beseitigung von Eis und Schnee begonnen, da mehrere Besucher einer im Haus befindlichen Moschee über die schlechten Wegverhältnisse geklagt hatten. Während dessen löste sich ein etwa vier Meter breites Schneebrett vom Dach des Hauses und stürzte auf den 53-Jährigen. Zeugen des Vorfalls betreuten gemeinsam mit alarmierten Polizisten den lebensgefährlich Verletzten bis zum Eintreffen des Notarztes. Er kam zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus, wo er am vergangenen Samstagabend verstarb.
Die Kriminalpolizei der Direktion 3 prüft nun, ob ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet wird. Eine Obduktion des Toten zur Klärung der Todesursache wird angeregt.
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Letztes Wort
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„In einem kurzen Weilchen, meine Herren, sehen wir uns ohnehin alle wieder. Das ist das Los aller Menschen. Es lebe Deutschland. Es lebe Argentinien. Es lebe Österreich. […] Ich werde sie nicht vergessen.“ [vor der Hinrichtung]
Adolf Eichmann, deutscher NS-Kriegsverbrecher, 1962