berliner abendblätter 2.00 am 15.11.

15.11.
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Selbstgerechte und Wichtigtuer
Was macht denn jetzt eigentlich Sarrazin? Als ich die Anklageschrift im Internet suchte, die vom Parteivorstand an den zuständigen Ortsverein Charlottenburg-Wilmersdorf gegangen ist, fand ich auf dessen website nur den Termin für das nächste Stolpersteinputzen. Müssen die das denn machen, Ausschließen, meine ich. In letzter Zeit sind es die Rechtsabweichler, Clement zum Beispiel, in den 70ern waren es Linke. SPD ist Kirche, das heißt manchmal exkludierend. Ein häufig zu hörender Einwand gegen deutsche Mentalität: sie habe gegen das Andere, Inkommensurable, nur das Ausschließende als Rezept parat. Ein Mitgliedsbeitrag ist doch nicht zu verachten. Die Sozialdemokratie denkt, ihr Beitrag, den sie zahlen muss als Schadensbegleichung für Sarrazin, ist höher als alles, als das ganze Honorar aus seinem Deutschland-Buch sowieso. Das Honorar. Endlich ein Banker, der seine Millions nicht als Boni verdient. Wenn ein Verband jemanden ausschließt, steigt das Niveau der Zurückbleibenden leicht an (exakt um das Gewicht des Geschassten durch die Anzahl der Übrigen). Das Phänomen heiß Selbstgerechtigkeit. Erst wenn wir ausschließen, spüren wir es: dass wir die Besseren sind. Ein Mensch kann den ganzen Verein verderben. So hatte die CSU weiland nicht gefühlt, als sie Otto von Habsucht in ihre Reihen aufnahm. Wir wissen, dass der Mann im wirklichen Leben Otto Habsburg heißt und Thronprätendent zur Apostolischen Majestät etc. k. u. k. war. Wie viele von der CSU weggeblieben sind, weil der drin war, wurde nirgendwo festgehalten. Der greise Mann ist der Meinung, er habe mit einem Verein namens Pan-Europa-Union am Durchschneiden des Drahtes zwischen Ost und West geholfen. Nicht jeder Adelige ist berechenbar. Gloria ist es nicht. Sie wurde von besagter bürgerlicher Partei in die Bundesversammlung bestimmt und tat dann nicht, wie ihr geheißen: sie wählte die Bundespräsidentin ihres Herzens und ward nicht mehr für die nächste Kür gesetzt. Was hat die SPD Steinmeier zu verdanken? Dass er seine Jobs gut gemacht, oder wie in seinen Kreisen gesprochen wird, dass er gute Jobs gemacht hat? Hat der Transfer seiner Niere zur Gattin die Öffentlichkeit nicht mehr bewegt als alles, was er in den Jahren zuvor in seinen Ämtern verzapft hat? Im Grunde ist jeder entbehrlich, denkt, spricht und tut er noch so wichtig, und das ist – gut so. Also lasst uns nach Alphabet ausschließen.
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Weltstar. Was für ein Wort! Man muss es aus dem Mund eines älteren Zeitgenossen gehört haben, der möglichst noch die Hitlerzeit erlebt hat, um zu ermessen, was für ein Faszinosum davon ausging. Nachdem das deutsche Reich schwul geworden war und Marlene über´n Großen Teich ziehen ließ, hatte es nur noch Hitler. Als der aus technischen Gründen ausfiel, blieben sie übrig, die Weltstars. Fred Astaire, Ginger Rogers, Frank Sinatra, der bizarre Sammy Davis jr., unsterblicher Eintänzer, der uns an das Antlitz von Heiner Müller zu gewöhnen vorbereitete.
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War der Einsatz französischer Polizisten während des Castor-Transports im Wendland legal? Ja, meinen die Verantwortlichen in Paris, denn es gebe eine vertragliche Grundlage. Doch Polizeigewerkschafter verlangen Aufklärung.
Paris/Hannover – Zum Polizeieinsatz während des Castor-Transports sind neue Details bekanntgeworden. Wie das niedersächsische Innenministerium bestätigte, waren in Deutschland am vergangenen Wochenende auch Beamte aus mehreren europäischen Ländern mit von der Partie. In der Frage, ob dies in allen Fällen von vornherein bekannt war, gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Für Aufsehen hatte der Einsatz eines französischen Polizisten gesorgt. Er war handgreiflich gegen Anti-Atomkraft-Demonstranten vorgegangen und dabei fotografiert worden. Die französische Polizeiführung betonte laut Rundfunkberichten vom Samstag, es gebe an der Legalität dieses Einsatzes keine Zweifel. Grundlage sei der 2005 zwischen Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Österreich und den Niederlanden geschlossene Vertrag von Prüm zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit.
So seien etwa in Frankreich seit 2008 deutsche, spanische oder holländische Beamte aus den Nachbarländern in ihrer Uniform bei bestimmten Veranstaltungen präsent. Zudem habe es klare Absprachen zwischen den Behörden beider Länder gegeben, aufgrund derer Frankreich zwei deutschsprachige Bereitschaftspolizisten entsandt habe. Diese seien bedrängten deutschen Kollegen zu Hilfe geeilt.
Doch so eindeutig wie von französischer Seite dargestellt waren die Absprachen im Vorfeld wohl nicht. Dass uniformierte französische Beamte im Wendland vor Ort waren, habe die Einsatzleitung erst während des laufenden Castor-Transports über den französischen Verbindungsbeamten in Deutschland erfahren, sagte der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums, Klaus Engemann am Samstag. Koordiniert worden sei der Einsatz der französischen Beamten von der Bundespolizei. Informationen darüber seien aber nicht zu den niedersächsischen Behörden gelangt.
Ausländische Polizisten sind regelmäßig zu Gast in Deutschland
Bei Großeinsätzen seien Beamte aus anderen Ländern regelmäßig als Gäste dabei, sagte Engemann. Auch Polizisten aus Kroatien, Polen und den Niederlanden seien im Wendland im Einsatz gewesen. Anders als die französischen Elitepolizisten seien diese Beamten aber bei den niedersächsischen Behörden angemeldet gewesen. Die Kroaten trugen demnach Polizeikleidung, aber keinen Helm und keine Waffen. Polizisten aus den Niederlanden und Polen waren laut Ministerium in Zivilkleidung unterwegs.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert angesichts der Handgreiflichkeiten eines französischen Polizisten gegen Castor-Gegner Aufklärung. „Der Kollege war als Beobachter in Deutschland. Wenn er seine Befugnisse überschritten hat, indem er unsere Gesetze nicht einhielt, ist das eine Straftat“, sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg den „Stuttgarter Nachrichten“. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hatte die Aktion des französischen Beamten mit einer akuten „Notsituation von deutschen Bundespolizisten“ während einer Personenkontrolle infolge einer Beamtenbeleidigung erklärt.
Gewerkschafter Freiberg forderte grundsätzlich Klarheit über polizeiliche Befugnisse im Ausland. Das Thema könnte bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 relevant sein, bei der deutsche Polizisten gewaltbereite Hooligans nach Polen und in die Ukraine begleiten sollen.
Unterdessen forderten Länderminister der Union ein härteres rechtliches Vorgehen gegen Demonstranten und wollen diese auch an den Kosten des Einsatzes beteiligen. „Wer durch eine Sitzblockade einen hoheitlich genehmigten Transport behindert und dadurch einen Schaden verursacht wie etwa Mehrkosten für den Polizeieinsatz, der darf nicht von vornherein straffrei bleiben“, sagte Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte an, er werde bei der kommenden Innenministerkonferenz am Mittwoch auf eine Lösung dringen, wie die Demonstranten stärker für die Einsatzkosten in die Pflicht genommen werden könnten.
(spiegel)
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Berliner Polizeibericht
Frau bei Verkehrsunfall ums Leben gekommen
Mitte, 14.11.
Eine tödlich und eine schwer verletzte Passantin sind die traurige Bilanz eines Verkehrsunfalls in der vergangenen Nacht in Mitte. Nach ersten Erkenntnissen überquerten die beiden jungen Frauen gegen 22 Uhr 30 den Leipziger Platz in Richtung Voßstraße, ohne dabei auf den Verkehr zu achten. Auf der Fahrbahn wurden sie von dem „VW“-Kleinbus eines 45-Jährigen erfasst. Bei dem Zusammenstoß erlitt eine 19-Jährige schwerste Kopfverletzungen, an denen sie noch in der Nacht im Krankenhaus erlag. Ihre 18-jährige Begleiterin zog sich schwere innere Verletzungen zu und kam zur stationären Behandlung in eine Klinik. Der Autofahrer ließ sich wegen eines Schocks ambulant im Krankenhaus behandeln. Seine 33-jährige Beifahrerin konsultierte aus den gleichen Gründen einen Arzt. Für die Rettungsmaßnahmen und die Unfallaufnahme war die Leipziger Straße rund zwei Stunden gesperrt, wovon auch der Buslinienverkehr betroffen war. Bei der ums Leben gekommenen Frau handelt es sich um das 37. tödlich verunglückte Verkehrsunfallopfer in diesem Jahr in Berlin.
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Einbrecher von Wohnungsmieter festgehalten
Tempelhof-Schöneberg, 14.11.
Nach einem Wohnungseinbruch gestern Mittag in Schöneberg wurde der Täter vom Wohnungsinhaber überrascht und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten. Gegen 13 Uhr 45 stieg der 30-jährige Einbrecher über ein geöffnetes Oberlichtfenster in die Wohnung eines 36-jährigen Mannes in der Wartburgstraße ein. Für den Einbrecher überraschend befand sich der 36-Jährige in der Wohnung und hielt den 30-Jährigen bis zum Eintreffen der Polizei fest. Da der Einbrecher aufgrund eines Haftbefehls zur Fahndung ausgeschrieben war, wurde er nach seiner Festnahme dem Landeskriminalamt überstellt.
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Letztes Wort
„I don’t feel good.“ („Ich fühle mich nicht gut.“)
Luther Burbank, US-amerikanischer Pflanzenzüchter, 1926 (Kartoffelsorte und to burbank =Pflanzen verbessern)