16.2.
+
Nachlese
Amr Mussa und „Rat der Weisen“ suchen Ausweg
Kompromissvorschlag: Mubarak soll Amtsgeschäfte an Vize Suleiman übergeben
Kairo – In Ägypten suchen angesehene Persönlichkeiten einen Ausweg aus dem Patt zwischen dem Regime von Präsident Hosni Mubarak und den seit Tagen demonstrierenden Oppositionellen. So traf sich der langjährige Ex-Außenminister und Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, mit einer Gruppe, die sich „Rat der Weisen“ nennt. Dieser übermittelte dem Büro von Vizepräsident Omar Suleiman einen Kompromissvorschlag, wonach Präsident Mubarak zwar bis September formell im Amt bleiben solle, die Amtsgeschäfte aber im Wesentlichen an seinen Stellvertreter übergibt.
Dem „Rat der Weisen“ gehören der christliche Milliardär Naguib Sawiris, der stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Menschenrechtskommission, Ahmed Kamal Aboul Magd, sowie der Publizist Salama Ahmed Salama an.
Nach einem Bericht des TV-Senders „Al Arabiya“ hat Vizepräsident Suleiman bereits auf den Vorschlag des Weisenrates geantwortet. Zum Inhalt der Antwort wurden jedoch keine Angaben gemacht. Außerdem forderte der „Rat der Weisen“ die Jugendprotestbewegung auf, Vertreter zu ernennen, die an Verhandlungen über einen friedlichen Machtwechsel beteiligt werden sollten.
Aus Kreisen der Arabischen Liga hieß es, Mussa sei bereit, zwischen den jugendlichen Demonstranten und der Regierung zu vermitteln. Dies schließe aber nicht unbedingt Gespräche mit etablierten Oppositionsgruppen wie etwa der Wafd-Partei oder der Muslimbruderschaft ein. Die Regierung sei auf sein Vermittlungsangebot bisher nicht eingegangen, während sich die jungen Demonstranten, mit denen Mussa am Freitag auf dem Tahrir-Platz sprach, sehr aufgeschlossen gezeigt hätten.
Hinter den Kulissen verlautete bei der Liga, in der ägyptischen Führung gebe es offensichtlich einige Kräfte, die Mussa nicht dabeihaben wollten. Denn Mussa sei sehr populär und werde als möglicher Nachfolger von Mubarak gehandelt, was einigen Regime-Anhängern, die selbst Interesse an diesem Amt hätten, nicht passe. „Die Regierung wird sich deshalb erst dann an Mussa wenden, wenn sie das Gefühl hat, dass es gar keinen anderen Ausweg mehr gibt“, sagte ein Vertrauter Mussas.
Mussa hatte zuvor in einem Interview mit einem französischen Radiosender auf die Frage, ob er für das Amt des Präsidenten kandidieren wolle, gesagt: „Warum sollte ich Nein sagen?“ Er gilt als scharfer Kritiker der israelischen Politik. Als der frühere ägyptische Außenminister 2001 den als schwierig geltenden Posten als Chef der Arabischen Liga annahm, hieß es in Kairo, Mubarak habe Mussa „weggelobt“.
Der Minister sei ihm zu populär geworden, weshalb er ihn zunehmend als Konkurrenten empfunden habe. Unabhängige Beobachter vermuten, dass Mussa nun auch deshalb so vorsichtig agiert, damit er hinterher nicht mit leeren Händen dasteht und sowohl die Aussichten auf das Präsidentenamt als auch seinen Posten bei der Liga verliert – dieser sollte demnächst neu besetzt werden. (APA/dpa)
4. 2. 2011, der standard
+
Scharnweberstraße 29: Polizei bereitet sich auf Räumung vor
Nach der Räumung des letzten besetzten Hauses an der Liebigstraße 14 in Friedrichshain bereitet sich die Polizei auf den nächsten Einsatz dieser Art vor. In knapp drei Wochen soll das linksalternative Hausprojekt an der Scharnweberstraße 29 in Friedrichshain teilweise geräumt werden. Den Mietern im Erdgeschoss wurde gekündigt und der Räumungsbescheid zugestellt.
Im vergangenen Jahr wurde bereits die erste Etage des Hauses geräumt. In einschlägigen linksextremen Internetforen wird schon für Widerstand mobilisiert. Die Polizei ist in Alarmbereitschaft.
Für den Einsatz am 3. März um 10.30 Uhr hat der zuständige Gerichtsvollzieher bei der Polizei Amtshilfe beantragt, bestätigte am Donnerstag der Sprecher des Kammergerichts. „Wir werden den Gerichtsvollzieher mit einer ausreichenden Stärke an Polizeikräften bei der Räumung unterstützen“, so ein Polizeisprecher. Betroffen von den Räumungsmaßnahmen sind die Wohnungen im Erdgeschoss des Vorderhauses, wo sich die Räume des Vereins Scharnweber e.V. befinden. Dort hat der Verein unter anderem den Schenkladen „Systemfehler“ eingerichtet. In ihm können Dinge abgegeben werden, die noch funktionieren, aber nicht mehr gebraucht werden.
Das Wohnhaus an der Scharnweberstraße 29 sei nicht besetzt, betonte eine Sprecherin der Polizei. Den Angaben zufolge hat der Besitzer des Hauses den Mietern gekündigt, weil keine Miete bezahlt worden sei. Die Kündigung der Verträge sei mit der gewerblichen Nutzung begründet worden, heißt es dagegen auf der Internetseite des Schenkladens.
Die Räumung des alternativen Wohnprojekts „Scharni 29“ in der ersten Etage war durch die Polizei im Oktober vergangenen Jahres ohne größere Zwischenfälle vorgenommen worden: Etwa 40 Personen hatten sich zum angesetzten Räumungstermin um 8 Uhr vor dem Eingang des Hauses versammelt. Die Aktivisten versuchten, sich dem Gerichtsvollzieher in den Weg zu stellen. Aber Polizeibeamte räumten erst die Blockade und dann die Wohnungen in der ersten Etage. Vier Bewohner und ein Kind mussten die Räume verlassen, danach wurden die Schlösser ausgetauscht. Damals waren die Wohnungen geräumt worden, weil keine Miete bezahlt worden war. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der Hausbesitzer den Mietern im Erdgeschoss gekündigt.
11. 2., Maren Wittge (mopo)
+
Liebigstraße 20 Cent
Nach Angaben des FDP-Abgeordneten Björn Jotzo kostete die Räumung „jeden Berliner 20 Cent“, also rund 700000 Euro. (tsp. Vom 15.2.)
Man könnte auch sagen: es kostet jeden Berliner 20 Cent, einen einzigen mit 700.000 Euro auszustatten. Wenn das die Runde macht, haben bald alle 700.000 Euro!
+
Berliner Polizeibericht
+
Polizei ehrt zwei couragierte Lebensretter
Charlottenburg – Wilmersdorf, 15.2.
Für ihr schnelles und couragiertes Handeln möchte sich der Leiter der Polizeidirektion 2, Hans-Ulrich Hauck, morgen, am 16. Februar 2011 bei zwei Männern bedanken.
Die beiden Retter wurden am 16. Januar 2011 in den frühen Morgenstunden Zeugen eines schweren Verkehrsunfalls. Ein 18-jähriger Autofahrer war ungebremst gegen einen Laternenmast auf der Heerstraßenbrücke in Charlottenburg gefahren.
Durch den Aufprall wurden die Mitinsassen, ein 17-jähriges Mädchen und ein 17-jähriger Junge, schwer verletzt.
Ohne zu zögern verständigte der 53-jährige Taxifahrer, der zum Zeitpunkt des Unfalles einen Fahrgast aussteigen ließ, über sein Funkgerät die Rettungskräfte der Feuerwehr.
Der 45-jährige Fahrgast eilte zu dem in Brand geratenen Unfallfahrzeug und befreite die beiden verletzten Jugendlichen aus dem brennenden Auto, um sie in sicherer Entfernung zu versorgen und ihnen beruhigend bis zum Eintreffen der Rettungskräfte Beistand zu leisten.
Der Taxifahrer versuchte derweilen mit seinem mitgeführten Feuerlöscher den brennenden Motorraum zu löschen.
+
Letztes Wort
+
„Pozwólcie mi is’c‘ do domu Ojca.“ („Lasst mich zum Haus des Vaters gehen.“)
Johannes Paul II., Papst, 2005
+
Extrablatt
+
Multimilliardär Sawiris
„Wenn Sie das Mittelmeer umkreisen, finden Sie mich überall“
Naguib Sawiris, Jahrgang 1954, stammt aus Ägyptens führender Unternehmerdynastie: Sein Vater Onsi gründete vor mehr 30 Jahren die Firmengruppe Orascom, die in der Baubranche begann – und heute international Geschäfte mit Telekommunikation, Tourismus und anderem macht. Naguib Sawiris ist seit 1997 für Orascom Telecom zuständig und führt damit die wichtigste Sparte der Gruppe, andere Bereiche werden von seinen zwei Brüdern gemanagt. Sawiris ist koptischer Christ, aber kein Asket – er beschreibt sich als „Nachtschwärmer“, der gerne singt und Tango tanzt. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Das US-Magazin „Forbes“ schätzte sein Vermögen zuletzt auf zehn Milliarden Dollar – mit kräftiger Tendenz nach oben.
Kein anderer Konzern an der Börse Kairo kann Orascom Telecom das Wasser reichen – die Telekommunikationsfirma der Sawiris-Familie ist der einzige Global Player aus Ägypten. Orascom Telecom kontrolliert Mobilfunkunternehmen in Märkten wie Algerien, Tunesien, Ägypten und Pakistan – und expandierte nach dem Sturz von Saddam Hussein auch in den Irak. Ende 2006 hatte das Unternehmen 50 Millionen Kunden weltweit, Ende 2007 sollen es 70 Millionen sein. Über die Holding Weather kontrolliert Sawiris inzwischen auch die Mobilfunkanbieter Wind in Italien und TIM Hellas in Griechenland.
Naguib Sawiris ist schon der reichste Mann Afrikas – und hat noch viel vor: Der Mobilfunk-Mogul aus Kairo will seine Firmen an die Weltspitze führen und plant Zukäufe auch in Europa. Mit SPIEGEL ONLINE sprach er über geschäftlichen Ehrgeiz und religiösen Fanatismus.
SPIEGEL ONLINE: Herr Sawiris, die meisten Menschen in Deutschland haben noch nichts von Ihnen gehört, selbst wenn sie sich für Wirtschaft interessieren. Wird sich das in den nächsten Jahren ändern?
Unternehmer Sawiris: „Unser Pluspunkt ist genau der, dass viele uns zu wenig zutrauen.“
Naguib Sawiris: Ich glaube ja. Meine Firmen werden wachsen, auch in Europa. Wir hatten gerade eine Akquisition in Italien, eine in Griechenland, vielleicht folgen bald England, Deutschland oder Frankreich – dann wird das Publikum mehr von uns wissen. Schon weil es sich für Geld und Reichtum interessiert. Alle Welt kennt Bill Gates und Warren Buffett. Aber viele hatten nie von Carlos Slim aus Mexiko gehört – bis er vor kurzem auf der „Forbes“-Liste als weltweit zweitreichster Mann auftauchte.
SPIEGEL ONLINE: Wenn es eine „Forbes“-Liste für den Kontinent Afrika gäbe…
Sawiris: Ich stehe schon auf der Liste. Der weltweiten. Ich bin Platz 62.
SPIEGEL ONLINE: Freut Sie das?
Sawiris: Es sagt mir nichts Neues.
SPIEGEL ONLINE: Sie wollen einen der fünf größten Mobilfunkanbieter der Welt schaffen – und haben sogar mal gesagt, Sie wollten auf Platz eins. Meinen Sie das ernst?
Sawiris: Was man möchte und was man erreicht, ist nicht immer dasselbe. Aber mein Lebensziel war immer, Erster zu werden. Wenn das nicht geht und ich auf Platz zwei lande, ist es nicht so schlimm. Aber ohne Ziele geht es nicht.
SPIEGEL ONLINE: Die Vorgabe „Top 5“ ist kein Bluff?
Sawiris: Nein. Ich habe keine Zweifel, dass ich das schaffe.
SPIEGEL ONLINE: Bis wann?
Sawiris: Wovon reden wir? Vom Umsatz, der Marktkapitalisierung oder der Zahl der Kunden? Wenn ich von den Top 5 spreche, denke ich natürlich an das leichteste Kriterium – die Zahl der Kunden. Vodafone, die größte Mobilfunkfirma der Welt nach Umsatz, hat 200 Millionen Kunden. Ich hoffe, Ende 2008 bei mehr als 100 Millionen zu sein.
SPIEGEL ONLINE: Immer noch ein riesiger Abstand.
Sawiris: Aber ich bin in Emerging Markets aktiv, in wachsenden Märkten, in denen bisher weniger als die Hälfte der Leute ein Handy hat. Selbst wenn ich nur organisch wachse, kommt der Zeitpunkt, an dem Vodafone stagnieren und wir weiter massiv zulegen werden. Vielleicht habe ich in zehn Jahren schon 300 Millionen Kunden.
SPIEGEL ONLINE: Wenn ein ägyptischer Konzern gegen europäische wie Vodafone oder Orange antritt – hat er dann Vor- oder Nachteile?
Sawiris: Unser Pluspunkt ist genau der, dass viele uns zu wenig zutrauen. Wenn Du aber Deinen Wettbewerber unterschätzt, bist Du schon im Nachteil. Er kann es ausnutzen und kommt schneller nach oben.
SPIEGEL ONLINE: Das haben Sie schon erlebt?
Sawiris: Als ich 2006 in Italien Wind übernehmen wollte, die Nummer drei auf dem dortigen Markt, bot ein Konsortium aus Blackstone, Goldman Sachs und Citigroup gegen mich. Die haben den Italienern gesagt: Ihr glaubt doch nicht, dass dieser Ägypter einen 15-Milliarden-Dollar-Buyout machen kann? Wenn Ihr Eure Zeit mit diesem Herren vergeuden wollt, bitte. Den Italienern hat dieser Ton nicht gefallen, sie haben seriös mit mir verhandelt. Am Ende habe ich gekauft.
SPIEGEL ONLINE: Spätestens 2008 oder sogar noch dieses Jahr wollen Sie in Europa noch einmal zukaufen?
Sawiris: Wir werden es zumindest versuchen.
SPIEGEL ONLINE: Wo?
Sawiris: Wir Ägypter machen immer Witze. Ich mache den mit dem „Mare Nostrum“. Das gibt unserer Expansion nach Italien und Griechenland die Plausibilität.
St. Gallen Symposium
Das Interview wurde während des Symposiums geführt, das alljährlich von Studenten der Schweizer Universität St. Gallen abgehalten wird. Die dreitägige Tagung stand in diesem Jahr unter dem Titel „The Power of Natural Resources“.
SPIEGEL ONLINE: Sie meinen: Wie das Römische Reich sind Sie nun auf beiden Seiten des Mittelmeers?
Sawiris: Ja. Wenn Sie das Mittelmeer umkreisen, finden Sie mich überall, in Algerien, Tunesien, Ägypten – und nun Südeuropa. Athen liegt ja nur anderthalb Flugstunden von Kairo entfernt.
SPIEGEL ONLINE: Nach Ihrer Logik fehlen noch …
Sawiris: … Frankreich oder Spanien.
SPIEGEL ONLINE: Und Deutschland liegt zu weit weg?
Sawiris: Deutschland gefällt mir auch, weil die Zahl der Einwohner so hoch ist. Ich bin ein Fan großer Märkte.
SPIEGEL ONLINE: Anders als in Ägypten haben in Deutschland viele Leute schon zwei oder drei Handys. Da gibt es wenig Chancen für schnelles Wachstum.
Sawiris: Aber für besseres Management. Was wäre, wenn ein Typ wie ich bei der Deutschen Telekom einsteigt? Verwechseln Sie die Kapitalisten nicht mit den Bürokraten. Das ist wie Essig und Öl.
SPIEGEL ONLINE: Abgesehen davon, dass die Telekom reichlich teuer wäre – die Politik wird nicht dulden, dass ein Mehrheitsanteil an einen ausländischen Investor fällt.
Sawiris: Die einzige Lösung für die Deutsche Telekom ist doch, dass die Regierung endlich ihren Anteil verkauft. Solange sie drin ist, wird diese Firma nicht besser. Regierungen sind langsam, bürokratisch, stur und politisch. Das zerstört Werte.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Ehrgeiz ist wirklich global?
Sawiris: Nein, man kann nicht überall sein. Aber wir verhandeln im Moment zum Beispiel mit Telecom Italia über ihren Anteil in Brasilien. Da leben 180 Millionen Menschen, und noch immer ist die Handy-Dichte unter 50 Prozent. Bisher gibt es in Lateinamerika nur zwei große Anbieter, Telefónica aus Spanien und América Móvil von Carlos Slim. Im Mobilfunk-Business braucht man immer drei. Da gibt es noch Raum.
SPIEGEL ONLINE: Wegen Ihres Reichtums und Ihrer Pläne werden Sie in der Presse oft „neuer Pharao“ oder „Ägyptens Rockefeller“ genannt. Schmeichelt Ihnen das?
Sawiris: Ich lese das. Es stört mich nicht, ich bin ein sehr offener Typ. Ich bin nicht medienscheu. Ich habe nichts zu verbergen. Aber ich glaube, dass ich ein bescheidener Mensch bin.
SPIEGEL ONLINE: Wie zeigt sich das?
Sawiris: Alle Kollegen wissen: Sie können immer in mein Büro kommen. Ich bin nicht der große Chef, der sich abschottet. Ich bin auch stark und streng. Aber ich gehe zu Fuß durch die Straßen von Kairo, in die Geschäfte, in Restaurants. Ich habe keinen Bodyguard, ich fahre mein Auto selbst. Ich habe eine gute Beziehung zu Gott. Ich bin Christ, das ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens.
SPIEGEL ONLINE: Auch Ihres geschäftlichen Lebens?
Sawiris: Natürlich. Die Leute fragen mich immer: Wieso hattest Du keine Angst, nach Saddam Husseins Sturz in den Irak zu expandieren? Wieso hast Du keine Angst in Algerien? Meine Antwort: Der Glaube ist das Gegenteil von Angst. Wenn Du wirklich glaubst, dass Gott auf Deiner Seite ist – wie kannst Du Dich dann fürchten?
SPIEGEL ONLINE: Ist es schwieriger, als Christ mit seiner Firma vor allem in islamischen Ländern aktiv zu sein?
Sawiris: Es ist schwieriger, aber dadurch wird man auch besser. Wenn Sie immer über Hindernisse springen müssen, sind sie trainiert. Das ist so, wenn man aus einer Minderheit stammt.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben auf der deutschen Schule in Kairo Abitur gemacht und in Zürich studiert – wären Sie ohne diese Ausbildung geworden, was Sie sind?
Sawiris: Nie. Nie mit Betonung. Das deutsche Studium hat mich gelehrt, wie man das Denken diszipliniert. Pünktlichkeit, Genauigkeit, Hartnäckigkeit, alles das. Mein Vater hat noch in Kairo studiert, war auch sehr erfolgreich. Aber er ist nicht so sophisticated wie wir, die er zum Studium nach Europa geschickt hat.
SPIEGEL ONLINE: Wenn der arabische Raum weitere globale Konzerne hervorbringen soll – dann braucht er also bessere Schulen, bessere Universitäten?
Sawiris: Es wird schon investiert. In Kairo gibt es mehrere neue Hochschulen, die deutsche, englische, französische und die American University. Das ist zu wenig, aber es passiert etwas.
SPIEGEL ONLINE: Im Westen nimmt man eher wahr, dass die Ausbildung im arabischen Raum islamisiert wird.
Sawiris: Auch diesen Trend gibt es. Beide arbeiten gegeneinander. Deshalb ist es so wichtig, dass sich der Westen mehr für Ausbildung in unserem Teil der Welt interessiert. Wenn Sie den Intellekt der Menschen hier öffnen, haben sie weniger Verrückte, weniger religiöse Radikale.
SPIEGEL ONLINE: Tun Sie selbst etwas gegen islamischen Fundamentalismus?
Sawiris: Sehr viel. Ich habe meine eigenen, sehr modernen Fernsehkanäle, die für mehr Offenheit arbeiten. Ich habe eine sehr fortschrittliche Zeitung. Ich helfe Organisationen, die gegen Terrorismus angehen, nicht nur in Ägypten, und gebe viel Geld dafür aus.
SPIEGEL ONLINE: Wie fühlen Sie sich in Ägypten wahrgenommen: als Vorbild oder mit Skepsis?
Sawiris: Als Vorbild. Ich bin sehr nah an der kommenden Generation. Ich gehe nie in die Lokale der Älteren – immer nur solche mit 20 Jahre jüngeren Leuten. Die mögen mich, für die bin ich ein Role Model.
SPIEGEL ONLINE: Wird Ägypten in 20 Jahren fundamentalistischer sein oder offener?
Sawiris: Offener. Da bin ich sehr optimistisch.
Das Interview führte Matthias Streitz
07.06.2007