berliner abendblätter 2.00 am 19.1.

19.1.
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Letzter Sargnagel für Kurt Beck?
Waldhof mit 2.400 Tonnen Schwefelsäure unter der Loreley gekentert.
Das Unglück an der Loreley
Nach der Havarie eines mit gefährlicher Schwefelsäure beladenen Tankschiffs auf dem Rhein suchten Helfer am Donnerstag nach zwei Vermissten. Die Ursache des Unfalls ist weiterhin unklar.
„Jahrhunderte hab ich gesehen, lang werd ich mit Gottes Güt bestehen.“ Die Inschrift im Dachfirst der Ausflugsgaststäte „Silberne Rose“ an der Uferstraße St. Goar zeugt von zahllosen Heimsuchungen, und das gerade wieder bedrohlich steigende Hochwasser ist hier am Mittelrhein nichts Außergewöhnliches.
Auch Schiffs-Havarien ereignen sich im Bereich des Stromkilometers 556, wo der Fluss eine extreme Windung macht, immer wieder einmal. Aber so etwas wie heute, sagen nicht nur die Schaulustigen aus dem Ort, die, bewaffnet mit Handykamera und Ferngläsern die Uferpromenade säumen, hätten sie noch nie erlebt. Auch ein so nüchterner Mann wie Martin Mauermann, der Chef des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen, der im Morgengrauen zur Unglücksstelle geeilt ist, kann sich trotz langjähriger Erfahrung an kein vergleichbares Unglück erinnern.
Gegen 5 Uhr früh war am Donnerstag das Tankmotorschiff „Waldhof“ plötzlich von den Radarschirmen der Wasserschutzpolizei verschwunden, die diesen Streckenabschnitt besonders intensiv überwacht. Die Engstelle am Loreley-Felsen gilt als gefährlich und unfallträchtig, sagt Polizeiführer Thomas Bredel. Sofort habe ein Patrouillenboot Kurs auf die fragliche Position genommen, doch da war der Tanker, beladen mit 2400 Tonnen Schwefelsäure, bereits gekentert.
Er gehört einer Mannheimer Reederei und war im Auftrag der BASF von Ludwigshafen ins belgische Antwerpen unterwegs. An Bord waren vier Mann Besatzung, drei Deutsche und ein Tscheche. Zwei von ihnen konnten geborgen werden, einer fast zehn Kilometer stromaufwärts, bei Bad Salzig.
Den ganzen Tag über bemühen sich Feuerwehr und Katastrophenschutz, die beiden vermissten Männer zu finden. Bis zum Nachmittag bleibt die Suche ergebnislos. Dem Vernehmen nach gelingt es Tauchern, an Bord zu gehen und die Kabinen zu inspizieren. Mit Spezialsensoren tastet man die Bordwand ab, um mögliche Klopfgeräusche oder ein anders Lebenszeichen der Schiffbrüchigen zu empfangen. Aber es gibt keine Hinweise, dass sich noch jemand auf dem havarierten Schiff aufhält. Und bei Wassertemperaturen um die vier Grad schwindet mit jeder Stunde die Hoffnung, die beiden Männer noch lebend zu finden.
Von der „Waldhof“ ragt nur ein Teil des Rumpfes aus dem Rhein. Ständig wird das Schiff von Polizeibooten umrundet, Hubschrauber kreisen über der Unglücksstelle. Der Rhein ist für den gesamten Schiffsverkehr gesperrt. „Aktuell“, sagt der Schiffsführer der Hochwasser-Notfähre „Felix“, die die einzige Verbindung zwischen St. Goar und St. Goarshausen darstellt, „zeigt der Pegel Kaub 5,72 Meter. Ab 6,40 Meter geht hier gar nichts mehr.“ Der Mann hat seine ganz eigene Theorie für das Kentern der „Waldhof“: „Da muss eine Bordwand aufgerissen sein, anders kann ich mir das nicht erklären.“
Ebendies bestreiten die Verantwortlichen. Der Rumpf des Schiffes sei intakt, die Schwefelsäure nicht ausgelaufen, teilt das rheinland-pfälzische Umweltministerium mit. Schwefelsäure sei zwar ätzend, werde auf der Skala der Gefahrstoff-Klassen aber eher niedrig eingestuft.
Über die Unfallursache rätselt auch die Schifffahrtsbehörde. Die „Rahmenbedingungen“ seien „sehr normal“ gewesen, sagt deren Chef Mauermann. Nach ersten Ermittlungen sei der Schiffsführer mit dieser schwierigen Route vertraut gewesen und besitze auch das vorgeschriebene Loreley-Patent.
Eine Ursache, über die immer wieder gemutmaßt wird, während die schmutzig-braune Brühe weiter ansteigt, schließen die Verantwortlichen kategorisch aus: Dass der hohe Pegelstand schuld sei und dass es unverantwortlich gewesen sei, den Rhein nicht für Schiffe mit solch sensibler Ladung zu sperren.
Die Bergung des Schiffes kann nach Einschätzung Mauermanns Wochen dauern. Es gebe tausend Ideen dazu, vom Versuch, das Schiff wieder aufzurichten, bis zum kontrollierten Ablassen der Ladung. Auch über eine „Ponton-Lösung“ werde intensiv nachgedacht. Allerdings könne es Tage dauern, bis das erforderliche Spezialgerät an Ort und Stelle sei, und auf derlei heikle Bergungsaktionen spezialisierte Experten sind rar.
Harald Biskup, FR vom 13.1.

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Mittlerweile ist es eine Woche her, dass die „Waldhof“ kenterte. Die vermissten Schiffer sind bis heute nicht aufgetaucht. Die Bergung entpuppt sich als schwierig.
Es folgt ein Pressebericht des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen.
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Schiffsunfall an der Loreley bei St. Goarshausen – Verzögerung bei zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen
Erstellt am 18.1. 2011 im Meldungsbereich Bingen bis Boppard, Kaub bis Lahnstein, Mittelrhein-Regional-News.
St.Goarshausen – Die Frage nach der Stabilität des bei St. Goarshausen gesunkenen Tankschiffs beschäftigt die Einsatzkräfte des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen und die Experten des Bergungsunternehmens weiterhin. Flächenpeilungen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen vom Montag zeigen, dass sich der oberhalb des Schiffes entstandene Kolk* entlang der „Waldhof“ weiter ausdehnt. Die Tiefe des Kolkes ist gegenüber den Messungen vom Samstag nahezu unverändert. Kontrollmessungen zur Überwachung der Lage der „Waldhof“ zeigen, dass sich das Schiff langsam bewegt.
Bevor nicht weitere Sicherungsmaßnahmen ergriffen wurden, können die vom Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen in Aussicht gestellten Versuchsfahrten nicht stattfinden. Diese Sicherungsmaßnahmen werden allerdings mehr Zeit in Anspruch nehmen, als noch gestern veranschlagt, da es dem Bergungsunternehmen nicht möglich ist, schon heute einen weiteren Ponton vor Ort zu bringen.
Versuchsfahrten mit einzelnen Fahrzeugen können deshalb – entgegen der Pressemitteilung des WSA Bingen vom 17.01.11 – nicht schon am Mittwoch sondern frühestens am Freitag stattfinden. Die Sicherheit der „Waldhof“ hat dabei allerhöchste Priorität. Allein diesem Maßstab folgt auch die Auswahl der Fahrzeuge, die das Wasser- und Schifffahrtsamt für Versuchsfahrten ansprechen wird.
Quelle: Martin Mauermann, Amtsleiter
* Kolk lasut wikipedia: Ein Kolk (auch Strudelloch oder Strudeltopf genannt) ist eine Erosionserscheinung in einem Flussbett in Form einer Vertiefung in der Fließgewässersohle oder der Uferwand. Kolke entstehen meist in Festgestein durch die Fluvialdynamik des Wasserlaufs. Mitgeführter Sand und Gesteinsbruchstücke schleifen die Gewässersohle ab, wodurch der Fluss das Gestein erodiert. Durch Strudel und Wasserwalzen bilden sich trichter- oder kesselförmige Vertiefungen.
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Berliner Polizeibericht
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Verdächtiger Gegenstand in Paket gefunden
Tempelhof- Schöneberg, 17.1.
Ein verdächtiges Postpaket sorgte heute Mittag für einen Polizeieinsatz in Schöneberg. Eine Mitarbeiterin der Kroatischen Botschaft in der Ahornstraße öffnete gegen 13 Uhr ein eingegangenes Paket und fand dort einen handgranatenähnlichen Gegenstand. Sie alarmierte umgehend die Polizei, die sofort umfangreiche Sperrmaßnahmen einrichtete. Die angeforderten Kriminaltechniker des Landeskriminalamtes stellten den Gegenstand sicher und brachten ihn zum Sprengplatz. Die Echtheit des Gegenstands und der Inhalt eines beiliegenden Schreibens werden derzeit geprüft. Der polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat die Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und wegen Störung des öffentlichen Friedens übernommen.
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Die deutsche Demokratie hat auch kalendarisch eine 5-Prozent-Hürde: heute mittag um 12 Uhr sind 5 % des Jahres vergangen und um 12 Uhr tritt der Bundestag erstmalig 2011 zusammen. Frau Ilse Aigner (Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) gibt eine Regierungserklärung ab zum Thema „Verbraucher konsequent schützen – Höchstmaß an Sicherheit für Lebensmittel gewährleisten“.
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Letztes Wort
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„Now I’ll have eine kleine Pause [sic].“ („Nun werde ich eine kleine Pause machen.“) Quelle: Gerald Moore: Am I Too Loud?, 1962
Kathleen Ferrier, britische Opernsängerin, 1953