20.10.
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Bundesverfassungsgericht:
Zivilgerichtliche Untersagung der Wort- und Bildberichterstattung über
eine Prominente teilweise verfassungswidrig
Forts. und Schluss
Die Beschwerdeführerinnen sehen sich durch die angegriffenen
Entscheidungen in ihrer Pressefreiheit und ihrem Grundrecht auf
Meinungsfreiheit verletzt.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen die
Verurteilung zur Unterlassung der Bildnisveröffentlichung nicht zur
Entscheidung angenommen, weil Gründe für eine Annahme nicht vorliegen,
insbesondere die Beschwerdeführerin zu 1) durch die insoweit
angegriffenen Entscheidungen nicht in ihrer Pressefreiheit verletzt ist.
Dagegen sind die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen Verurteilungen
der Beschwerdeführerinnen zur Unterlassung der jeweiligen
Wortberichterstattung wenden, begründet, da diese Entscheidungen die
Presseverlage in ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzen. Die
entsprechenden Entscheidungen sind aufgehoben und die Sache jeweils an
das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Die Verurteilung, die erneute Veröffentlichung der auf dem Titelblatt
der Zeitschrift „Neue Post“ abgebildeten Fotografie zu unterlassen,
begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist es
nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte die einwilligungslose
Bildnisveröffentlichung auch nicht als Abbildung eines
zeitgeschichtlichen Ereignisses gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für zulässig
erachtet haben. Zwar kann im Bereich der Berichterstattung über
Prominente auch die Darstellung von Umständen aus dem Alltagsleben
dieses Personenkreises geeignet sein, die Veröffentlichung eines Fotos
zu rechtfertigen, jedoch nur insoweit, als die Veröffentlichung der
Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann. Dass
die Gerichte dieses Kriterium vorliegend nicht als erfüllt angesehen
haben, überschreitet den fachgerichtlichen Wertungsrahmen nicht. So ist
es angesichts des groß gedruckten Textes „Schockierende Fotos“ zu dem
Titelfoto vertretbar, den fraglichen Artikel nicht als Berichterstattung
über die AIDS-Gala als möglicherweise zeitgeschichtliches Ereignis
anzusehen, sondern als Veröffentlichung, die sich im Wesentlichen mit
dem Lebenswandel der Klägerin befasst. Der auf die Klägerin
konzentrierte Artikel erörtert auch keine sonstigen Themen von
zeitgeschichtlicher Bedeutung, wie etwa allgemeine Probleme der
Adoleszenz, die Krankheit AIDS oder den gesellschaftlichen Umgang mit
ihr. Wie die Fachgerichte zutreffend festgestellt haben, besteht an der
Person der Klägerin selbst kein mit dem Interesse an dem Leben eines
Staatsoberhauptes vergleichbares öffentliches Informationsbedürfnis, das
die Bildnisveröffentlichung rechtfertigen könnte.
2. Demgegenüber sind die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die
Untersagung der Wortberichterstattungen richten, im zulässigen Umfang
begründet. Die beanstandeten Äußerungen fallen als Werturteile über die
Klägerin in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Diese ist freilich
nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet ihre Grenze unter anderem in
den allgemeinen Gesetzen. Bei Anwendung der einschlägigen Vorschriften
des Zivilrechts haben die Fachgerichte jedoch Bedeutung und Tragweite
der Meinungsfreiheit verkannt, indem sie diese im Rahmen der gebotenen
Abwägung gegenüber Persönlichkeitsbelangen der Klägerin haben
zurücktreten lassen. Anders als in dem die Bildnisveröffentlichung
betreffenden Verfahren haben die Fachgerichte in Bezug auf die
beanstandeten Wortberichterstattungen eine Beeinträchtigung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, welche der
Meinungsfreiheit entgegengesetzt werden könnte, nicht in
verfassungsrechtlich tragfähiger Weise begründet.
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts reicht hinsichtlich der
Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Wortberichterstattung
andererseits verschieden weit. Während die Veröffentlichung eines
Personenbildnisses unabhängig davon, in welcher Weise der Betroffene
abgebildet wird, eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, gilt dies für einen
personenbezogenen Wortbericht nicht in gleicher Weise. Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet nicht schon davor Schutz,
überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden.
Vielmehr bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur in spezifischen
Hinsichten Schutz, wobei es vor allem auf den Inhalt der
Berichterstattung ankommt. Insoweit schützt das allgemeine
Persönlichkeitsrecht freilich auch vor einer Beeinträchtigung der
Privat- oder Intimsphäre sowie vor herabsetzenden, vor allem
ehrverletzenden Äußerungen. Außer unter dem Gesichtspunkt des Schutzes
am gesprochenen Wort bietet das allgemeine Persönlichkeitsrecht aber
keinen Schutz vor personenbezogenen Äußerungen unabhängig von ihrem
Inhalt.
Die beanstandeten Artikel lassen inhaltlich aber weder eine
Ehrverletzung oder eine sonstige Herabwürdigung der Klägerin erkennen,
noch haben die Fachgerichte hinreichend begründet, dass die Privatsphäre
der Klägerin durch die in den Artikeln geäußerten Wertungen betroffen
sei. Diese beruhen vielmehr auf Vorgängen aus der Sozialsphäre der
Klägerin. Die betreffenden Äußerungen kommentieren zwar die
Lebensführung der Klägerin, dies aber nur im Hinblick auf
Verhaltensweisen, die sie auf Veranstaltungen gezeigt hat, welche
erkennbar an die Öffentlichkeit gerichtet waren und in diese
ausstrahlten. Ob aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch ein Recht
darauf hergeleitet werden kann, nicht gegen seinen Willen zum Objekt
bestimmter medialer, die selbst gewählte Öffentlichkeit verbreiternder
Erörterung gemacht zu werden, ist fraglich, kann hier aber offen
bleiben. Denn auf ein solches Recht könnte sich jedenfalls derjenige
Grundrechtsträger nicht berufen, der sich in freier Entscheidung gerade
der Medienöffentlichkeit aussetzt, indem er Veranstaltungen besucht, die
erkennbar auf ein so großes Interesse von Teilen der Öffentlichkeit
stoßen, dass mit einer Berichterstattung durch die Medien gerechnet
werden muss. So verhält es sich auch in den vorliegenden Fällen. Die
Festivitäten, an denen die Klägerin teilnahm und auf die in den
beanstandeten Artikeln Bezug genommen wird, stießen wegen der illustren
Gäste auf großes mediales Interesse und waren jedenfalls teilweise
gerade auf eine Außenwirkung angelegt. Die Klägerin musste daher die
öffentliche Erörterung ihrer Teilnahme an den Feiern und ihres hierbei
an den Tag gelegten Verhaltens dulden und kann auch nicht beanspruchen,
dass dieses nicht zum Ausgangspunkt kommentierender Bemerkungen der
Presse gewählt wird, sofern diese nicht ihrerseits eines der Schutzgüter
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, insbesondere die Ehre oder des
Rechts am eigenen Bild verletzen. Denn eine umfassende
Verfügungsbefugnis über die Darstellung der eigenen Person im Sinne
einer ausschließlichen Herrschaft des Grundrechtsträgers auch über den
Umgang der Öffentlichkeit mit denjenigen Aussagen oder Verhaltensweisen,
deren er sich öffentlich entäußert hat, gewährleistet das allgemeine
Persönlichkeitsrecht nicht.
Pressemitteilung Nr. 96/2010 vom 19. Oktober 2010
Beschluss vom 14. September 2010
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