21.11.
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Und dann noch an einem Sonntag
Heute ist die 199. Wiederkehr des Tages, an dem sich Heinrich von Kleist erschossen hat. Erschossen, wie erschossen? Mit der Pistole. Zuerst eine Frau, die mit ihm war, und dann sich. Nein, er war doch noch so jung! Jedenfalls verleiht die Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft in unserer Zeit jährlich um die Wiederkehr des Todestages, einem Mittwoch, ihren Preis, dieses Jahr auf den Tag genau, nächstes Jahr wird es dann ein Tag zuvor sein. Wenn es nicht Leute gäbe, die sich in Szene setzten wollen oder zumindest lassen, gäbe es keine Kleist-Veranstaltungen mehr. Der Name des Preises ehrt den Gepriesenen, der Name dessen ehrt den des Preises. Armer Kleist. Er muss anno Zwanzigzehn herhalten für eine Apologie der Schönheit. Die sticht, die zählt, die steht am Ende. Das meint Ferdinand von Schirach, Gesellschaftsanalytiker in der Robe des Strafverteidigers und Hobby-story-teller-Literat. Aber was für ein Kaliber! In den Schreibschulen sollte eines im Vordergrund stehen: macht euch das Schreiben zur Nebenbeschäftigung. Joggt hauptberuflich und füllt den Tag irgendwie, aber schreibt nur in der blauen Stunde oder zwischen Mitternacht und Aufstehen, wie es Kafka und die anderen auch gemacht haben. Die Früchte werden gesegnet sein. Schirach bastelt in jede seiner Erzählungen einen Apfel ein. Die Erinnerung an den Sündenfall. Kann denn seither Schuld noch vermehrt werden? Ihr Gegenteil, die Unschuld, sie ist ja weggegeben, unwiederbringlich! Wozu, ihr Vertreter der christlichen Leitkultur, baut ihr Gerichte und Gefängnisse, bezahlt Richter und Wärter? Die Schuld, sie ist nicht hinweg zunehmen, und jedermann ist sein eigener Richter. Schirach knüpft, was Kleist betrifft, an dessen Erkenntnis-Krise an, die in der Literatur als „Kant-Krise“ bezeichnet wird. Die bemerkenswerte Äußerung dabei ist die dezidierte Meinung Schirachs, es gebe keine Krisen, die von Büchern ausgelöst werden könnten, es müsse jeweils was Anderes, Triftiges, Organisches vorliegen. Der moderne Mensch befindet sich immer irgendwo zwischen Zweifel und Verzweiflung. Kleist hat uns beides beispielhaft gezeigt, wie man eine Weile in diesem Zustand verweilen und sich halbwegs ausbalancieren kann und wie man an das Ufer of no return anlangt. Er patroniert insofern viele Schreibmotivationen und -exekutionen. Die letzten Vergaben des Preises lassen eine Tendenz ausmachen, eine weg vom Pathos, hin zu Skurrilität, Karikatur, Sensationsreport. Der Kleist-Gesellschaft ist zugegebermaßen eine beeindruckende Veranstaltung gelungen, auch dank der tätigen Mitwirkung des Cellisten Götz Teutsch (Cello-Suiten Bachs), des Steh-Impresarios Hermann Beil (Polizeirapporte aus den Berliner Abendblättern) und des Sitz-Lesekünstlers Burghart Klaußner (las die Geschichte „Cello“ aus Schirachs Debut-Band „Verbrechen“). Die Vergabe bleibt jeweils umstritten und ist eine mit für den Anlass gehörigem Skandal-Potenzial. Schon die Findung des jeweiligen Trägers (seit sechs Verleihungen gab es keine Frau mehr) ist eine Ausnahme und Lunte zur Kritiker-Intrigue: eine Jury wählt den – Juror, der ganz allein im stillen Kämmerlein finden darf. Dieses Jahr traf es den Otto-Gag-Schreiber Bernd Eilert von der titanic (Neue Frankfurter Schule). Er zitierte aus zwei sich einander ausschließenden Kritiken des Schirach-Erstlings et voila, sie, die Kritiker, hatten keine Kleider an. Es gibt nun in der Tat Kritiker zweierlei Geschlechts: die einen arbeiten mit einem objektiven Hintergrund und beantworten Fragen wie „Ist der Text nun eine Novelle oder nicht?“ bis hin zur finalen Keule „Ist das Literatur oder nicht?“, die anderen befragen den Autoren nach seinem Anspruch und prüfen, ob und wie er den umgesetzt hat. Mit Verlaub, letztere sind die Besseren. Schon das deutliche Aussprechen des Anspruchs ist verräterisch genug. Manchmal obliegt das erst dem Kritiker. Ich glaube, Herr von Schirach hebt nicht ab, er wird nicht den Roman des Jahrhunderts schreiben wollen, sondern, wünschenswerter weise, mit ein paar weiteren Erzählungsbänden, eigentlich in bester Tradition des Gerichtsfeuilletons, seinen harten Beruf ventilieren.
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HIP 13044 b
Neuer Exo-Planet entdeckt
Astronomen haben einen neuen Planeten aus einer anderen Galaxie entdeckt. Der Exoplanet mit der Bezeichnung HIP 13044 b ist etwa anderthalb Mal so gross wie der Jupiter. Er umkreist den kurz vor dem Erlöschen stehenden Stern HIP 13044 in grosser Nähe.
(sda/afp) HIP 13044 ist 2200 Lichtjahre von der Erde entfernt und liegt im Sternbild des Chemischen Ofens (Fornax). Ursprünglich gehörte der Stern zu einer Sterneninsel in einer benachbarten Zwerggalaxie, die jedoch vor sechs bis neun Milliarden Jahren von der Milchstrasse geschluckt wurde, wie die Forscher in einem am Donnerstag in der Fachzeitschrift «Science» erschienenen Artikel berichten.
Wegen der grossen Entfernungen zwischen unserer und anderen Galaxien habe es bisher keine gesicherten Erkenntnisse über aussergalaktische Planeten gegeben, sagte Rainer Klement, Astrophysiker am deutschen Max-Planck-Institut und einer der Entdecker von HIP 13044 b, bei einer Telefonkonferenz. Erst durch die Fusion der Zwerggalaxie mit der Milchstrasse sei ein solcher Planet in Reichweite der Messinstrumente befördert worden.
(nzz)
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Benedikt stülpt Prostitutierten-Freiern Kondome über
In «begründeten Einzelfällen» ist Geschlechtsverkehr mit Kondom nach Auffassung von Papst Benedikt XVI. zu tolerieren. Die Weiterverbreitung von Aids könne so gebremst werden, begründete er das Abrücken vom Kondomverbot.
(afp) Papst Benedikt XVI. hat im Kampf gegen Aids eine historische Wende der katholischen Kirche vollzogen und die Benutzung von Kondomen in «begründeten Einzelfällen» für erlaubt erklärt.
Wenn es darum gehe, die Ansteckungsgefahr zu verringern, könne der Einsatz von Kondomen «ein erster Schritt sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität», sagte der Papst in einem Gespräch mit dem Publizisten Peter Seewald, das kommenden Mittwoch in Buchform erscheinen wird. Bisher vertrat die katholische Kirche trotz massiver öffentlicher Kritik stets die Position, dass auch im Kampf gegen die weitere Ausbreitung von Aids der Einsatz von Präservativen nicht gestattet werden dürfe.
Der Papst sagte in dem Gespräch, die katholische Kirche sehe die Verwendung von Kondomen «natürlich nicht als wirkliche und moralische Lösung an». Ein begründeter Einzelfall für eine Ausnahme von dieser Haltung könne aber etwa der Fall sein, dass Prostituierte ein Kondom verwenden. Dies könne dann «ein erster Schritt zu einer Moralisierung» sein und könne helfen ein Bewusstsein zu entwickeln, «dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will».
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Eifersucht?
Es ist Trauer, dass der andere durch eine Zeit geht, deren Momente er mit einem Dritten und nicht mit dir teilt.
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Letztes Wort
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„The water’s dark green and I can’t see a bloody thing. Hallo the bow is up. I’m going. I’m on my back. I’m gone.“ („Das Wasser ist dunkelgrün und ich kann nichts sehen. Hallo der Bug ist oben. Ich verliere die Kontrolle. Ich überschlage mich. Ich bin verloren.“)
Donald Campbell, britischer Motorboot- und Autorennfahrer, 1967, das Wrack seines Bootes und die sterblichen Überreste wurden erst 2001 von einem Taucher gefunden und geborgen.
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