berliner abendblätter 2.00 am 22.2.

22.2.
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Philipp zu Guttenberg
Kleiner Bruder rettet Aachener Karneval
(RP) Es war der größte anzunehmende Unfall für die Aachener Karnevalisten, die seit 1950 ihren „Orden wider den tierischen Ernst“ vergeben. Dass sie in kriegerischen Zeiten den ebenso smarten wie populären Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als 61. Ordensträger nominiert hatten, war ein Kardinalfehler.
Dass dieser dann vor drei Wochen – noch ohne Plagiats-Krise – abgesagt hatte, war umso schlimmer. Auf den letzten Drücker benannte er seinen jüngeren Bruder Philipp (37) als Knappen, der stellvertretend im Aachener Narrenkäfig die Auszeichnung für Humor und Menschlichkeit im Amt annehmen sollte.
Und so stieß die Festsitzung am Samstag trotz aller Unkenrufe auf gesteigertes Interesse überregionaler Medienvertreter, die nicht 1100 Euro für einen der engen Sitzplätze bezahlen mussten, sich aber aufgrund des WDR-Diktats während der Sitzung nicht frei bewegen durften.
Draußen vor der Tür protestierten etwa 100 Friedensaktivisten. Während die Festgäste eintrafen, gedachten sie mit Holzkreuzen aller Opfer in Afghanistan. Es sei eine Beleidigung der Toten von Kundus, den Bundesverteidigungsminister als großen Humoristen zu feiern, „während zur selben Stunde seine Truppen Krieg führen“, war auf den Flugblättern zu lesen.
Der Anlass für den Kulturpreis – Humor und Menschlichkeit im Amt – blieb den Abend über unerwähnt, vermutlich mangels Masse. Der amtierende Verteidigungsminister hat ganz andere Sorgen. Dass diese Ordensverleihung nicht zum Dolchstoß für den närrischen Aachener Orden wurde, ist Philipp zu Guttenberg zu verdanken.
Während Vorjahresritter Jürgen Rüttgers brav blieb und mit seiner Laudatio den Weg des geringsten Widerstands wählte, setzte der Präsident der Arbeitsgemeinschaft deutscher Waldbesitzer die Axt an. Philipp zu Guttenberg hielt eine glänzende Rede, humorvoll, sarkastisch, politisch und feinsinnig gereimt.
„Hätten Sie Ihre prachtvolle Prunksitzung nicht nach Kundus oder Kabul verlegen können?“, fragte er eingangs. „Dann wäre er vielleicht gekommen, hätt‘ wohl den Orden angenommen.“ Er zog seinen Bruder durch den Kakao, entzauberte ihn als mediengewandten Hochglanzpolitiker, fand immer wieder in die Strophe: „Und redet er noch so gewählt, das krause Haar bleibt stets gegelt.“
Beim dritten Mal geht das Publikum mit. Als geschleckten Superstar watscht einer der „Rabensöhne“ den anderen ab, nennt ihn einen gestylten „Dalai Deutschland“. Der Knappe lässt die fragwürdige „Kerner-TV-Mission“ nicht außen vor, schießt Horst Seehofer an und frotzelt über die Guttenbergs: „Unausgesprochen bleibt der Pakt: Alles, was glänzt, wird eingesackt.“
Von Annette Bosetti – zuletzt aktualisiert: 21.2.
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Auftritt nach Plagiatsvorwürfen: Guttenberg will Dr. abschütteln
In der hessischen Provinz gesteht Karl-Theodor zu Guttenberg Fehler ein und erklärt, dass er den Doktortitel nicht mehr tragen werde, auch wenn es ihn schmerze. Echte Reue sieht anders aus. Von Sonja Jordans
Promintener Gast beim Valentinstreffen der hessischen CDU in Kelkheim: Karl-Theodor zu Guttenberg
Es ist der Auftritt eines Stars: Selbstsicher, mit flottem Schritt betritt Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Montagabend die Bühne in Kelkheim am Taunus. Gut sieht er aus, mit blauem Hemd, heller Krawatte und anthrazitfarbenem Anzug. Mit kräftigem Applaus wird er empfangen, auch mit Jubelrufen – ganz so, als wäre nichts gewesen. Als stünden nicht Vorwürfe im Raum, der Polit-Star mit dem smarten Siegerlächeln hätte in seiner Doktorarbeit abgekupfert. Nicht ein paar Sätze, sondern ganze Passagen aus Zeitungsartikeln, Aufsätzen und wissenschaftlichen Arbeiten. Doch zu Guttenberg lächelt, scherzt. Er ist zu Gast bei Freunden, bei CDU-Wählern. Die Stimmung ist gut, und eigentlich ist ja auch nichts Schlimmes passiert.
Für den ersten öffentlichen Auftritt nach den Plagiats-Vorwürfen hat „KT“ die Provinz gewählt, „hier, vor Ihnen, nicht vor der Hauptstadtpresse“, wie er später sagen wird. Sondern in einer Stadt irgendwo bei Frankfurt am Main, wo sich die Hänge des Taunus sanft aufschwingen. Dort, wo es um den Kommunalwahlkampf geht, wo Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) die Zuhörer auf die Wahl einstimmt. Doch viele Besucher der Kelkheimer Stadthalle sind wegen zu Guttenberg gekommen. „Ich möchte hören, was er zu den Schummelvorwürfen sagt“, bringt es Gymnasiastin Jasmina (19) auf den Punkt. „Der Rest ist uninteressant.“ Umstehende nicken.
Guttenberg weiß das. Die öffentlichen Diskussionen der vergangenen Tage haben ihm gezeigt, worauf die Menschen warten. Und er weiß, wie er seine Worte zu verpacken hat. Er wird an diesem Abend von „gravierenden Fehlern“ sprechen, die er jedoch nicht absichtlich begangen habe. Er wird erzählen, dass er „an der einen oder anderen Stelle den Überblick verloren“ habe über die Quellen, die er nutzte. Und er wird sagen, dass „die Entscheidung, einen Doktortitel nicht zu führen, schmerzt“.
Guttenberg bat die Universität Bayreuth am Montagabend schriftlich, den Dr. zurückzunehmen. Zur Begründung habe er auf „gravierende handwerkliche Fehler“ in seiner Arbeit hingewiesen, teilte die Hochschule am späten Abend mit. Trotz Guttenbergs Verzichtsangebots sieht sich die Universität jedoch verpflichtet, „die notwendigen Prüfungen gemäß dem vorgegebenen Verfahren vorzunehmen“. Bereits an diesem Dienstag werde die Promotionskommission der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät die nötigen Schritte einleiten. Am frühen Nachmittag wolle Uni-Präsident Rüdiger Bormann ein Pressestatement abgeben, sagte dessen Sprecher.
Die Sätze sind Hammerschläge, doch Guttenberg verpackt sie im Plauderton. Er beginnt mit Scherzen: „Danke, dass ich mich in das Gästebuch eintragen durfte, bevor ich etwas geleistet habe.“ Gelächter in der Halle. Er begrüßt den „lieben Professor Doktor Riesenhuber“ im Publikum – mit Betonung auf dem Doktor. Gelächter. Schließlich nimmt er doch elegant den Bogen zum Thema des Abends. Spekulationen, dass er den Auftritt vielleicht habe absagen wollen, weist er von sich. „So weit kommt’s noch, dass man sich nach einem solchen Sturm drücken würde“, ruft er in den Saal, und die Menge klatscht begeistert. „Und hier oben steht auch das Original, kein Plagiat“, ergänzt der Minister fröhlich, und wieder wird gelacht.
Die Szenen erinnern an gewonnene Wahlen, an erfolgreich verlaufene Schlachten. Nicht an einen reuigen Mann, der zerknirscht Fehler eingesteht. Zügig sagt der Minister schließlich den Satz, auf den alle gewartet haben: „Es war richtig, dass ich am Freitag gesagt habe, dass ich den Doktortitel nicht führen werde.“ Das habe er festgestellt, als er sich in den vergangenen Tagen nochmals mit seiner Doktorarbeit befasst hat.
In der übervollen Stadthalle ist es für Sekunden still. „Ich habe gravierende Fehler gemacht“, fährt Guttenberg in diese Stille hinein fort. Vereinzelt ist nun Raunen zu hören. Nicht absichtlich habe er diese Fehler gemacht. Dennoch wolle er sich „von Herzen bei all jenen entschuldigen“, die er mit dieser Doktorarbeit verletzt habe – auch bei seinem Doktorvater. Wieder kommt Applaus auf.
„Ich finde es gut, dass er dazu steht, das kennt man von Politikern sonst ja nicht“, findet Elias (18). Schaden, glaubt der Schüler, werde dem Verteidigungsminister die Sache nicht. „Er ist doch so beliebt.“ Dennoch sei er unter Zugzwang gewesen, glaubt ein anderer Zuhörer: „Wer weiß, was noch so alles rauskommt über diese Arbeit“, sagt der Mann und spielt auf Spekulationen an, der Verteidigungsminister habe seine Doktorarbeit vielleicht nicht selbst verfasst. Doch dem erteilt der Minister auf der blumengeschmückten Bühne in diesem Moment eine klare Absage: „Ich habe diese Arbeit selbst geschrieben, stehe auch zu diesem Blödsinn, der da drin steht.“ Und wieder wird gelacht in der Kelkheimer Stadthalle.
Was danach noch kommt, interessiert längst nicht mehr jeden. Erste Zuhörer verlassen den Saal, als der Verteidigungsminister bekräftigt, er werde sich „auf die Aufgabe konzentrieren“, die er habe. „Ich habe gehört, was ich hören wollte“, sagt eine ältere Dame auf dem Weg nach draußen. „Er hat gemogelt, er hat sich entschuldigt, und nun muss es auch gut sein.“
Dass zu Guttenberg nicht wirklich erklärt hat, warum er abschrieb, wieso er den Überblick verloren hat, fällt nur wenigen an diesem Abend auf. „Er hat das halt so hübsch verpackt, da waren die meisten wohl geblendet“, findet ein Mann in den Fünfzigern und steckt die Hände in die Jackentaschen. „Ich habe auch promoviert und weiß genau, welche Quellen ich genutzt habe – heute noch.“
stern; © Sonja Jordans, 21.2.
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Guttenberg soll Rede zur Doktorandenehrung an der Universität Bayreuth halten
Für die Doktorandenehrung an der Uni Bayreuth ist ein prominenter Redner geplant: Es soll sich um Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg handeln. Das bestätigte jetzt der Dekan der Universität.
Diese Planung stamme allerdings noch aus der Zeit, bevor die Plagiatsvorwürfe gegen den Minister erhoben wurden. Die Verleihung soll am 21. Mai dieses Jahres erfolgen. Die Einladungen seien schon am 7. Februar verschickt worden. Guttenberg als vorgesehener Redner bringt die Universität in eine schwierige Situation. Sie hat in nächster Zeit darüber zu entscheiden, ob dem Minister aufgrund der Plagiatsvorwürfe eventuell die Doktorwürde wieder entzogen wird. Shortnews; 21.2.
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Letztes Wort
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„Wie schön!“ [Freude über den einsetzenden Schneefall]
Franz König, österreichischer Kardinal, 2004, er starb im 99. Lebensjahr am Jahrestag vom „Anschluss“, offiziell durch das am 13. März 1938 (ohne Parlament) verabschiedete Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vollzogen, mit ihm wurde die Diktatur des Ständestaates bzw. des Austrofaschismus (seit 1934) vom nationalsozialistischen Regime unter Adolf Hitler abgelöst.