berliner abendblätter 2.00 am 27.10.

27.10.
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Steinmeier is back! Wir sind ein Tandem und das ist mehr als die Summe der Teile, sagt Gabriel. Gestern war Generalabrechnung über das „verlorene schwarz-gelbe Jahr“.
Die Debatte um Zuwanderung und Integration sei durch Sarrazins Buch, einem Beispiel von „Empörungsliteratur“, verengter als im letzten Jahr. Jetzt ginge es um eine Mauer um Deutschland, vermerkt Steinmeier. Sarrazin habe keine ehrliche, sondern eine brutalere Debatte initiiert.
Gabriel vermeldet zu Stuttgart: „Wir verstehen mehr als nur Bahnhof“, nämlich auch was von zum Beispiel Energie- und Bildungspolitik. Geißler werde eine bindende Volksbefragung vorschlagen.
Die Grünen hätten die größte Übereinstimmung mit der SPD. Aber: „Inzwischen sind die Grünen gegen Straße und gegen Schiene!“ Sie hätten nicht die Voraussetzungen zur Ausübung der Richtlinienkompetenz.
Infrastruktur- und Industriepartei sei die SPD, sie dürfe nie zur Peripherie werden, müsse Zentrum sein..
„Es gibt keinen Fortschritt in der Menschheit ohne Risiko.“ Mit diesem Satz baut Gabriel seinen Gegenbegriff zum Konservativen auf.
Steinmeier hat in der Reha Sarrazins und Steinbrücks Bücher gelesen. Steinbrück ist nicht Präsidiums- und Fraktionsvorstandsmitglied, im Moment ähnlich politikfern wie der Rentier Sarrazin..
Auf eine einschlägige Frage erinnert Steinmeier: 1997 hätten sich die Diskussionspartner über Widerspruchs- und Einvernehmungslösung bzgl. Organspenden zerstritten. Der Ethikrat hätte sich im Oktober mit der Sache zu beschäftigen (gemeint ist eine Anhörung am heutigen Mittwoch in der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt).
Steinmeier punktet im Auftritt. Der Parteichef ist wahlkämpferisch.
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August Neidhardt von Gneisenau 250 Jahre
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In Berlin, rechts von Blücher, steht Gneisenau,
Sohn eines sächsischen Leutnants
Mit verlorenem Grundbesitz
Im österreichischen Mühlviertel,
Unter den Linden, am Opern-Café,
Fortiter, fideliter, feliciter.
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Harlan und Braun haben ihn gebraucht in „Kolberg“,
In Colberg hat er Lucadou ersetzt,
den Mann aus Genf, mit französischem Akzent
Und ohne Verständnis für das Platt, schlaganfällig,
Ein Urbild des überalten preußischen Militär.
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Gneisenau wird vom Markgrafen
Von Bayreuth nach Quebec geschickt,
In Potsdam ruht das Auge des alten Fritz noch auf ihn.
An seinem 46. Geburtstag reitet Napoleon durchs Brandenburger Tor
Und im Frühjahr drauf erreicht Neidhardt Colberg,
Das er mit Nettelbeck und den Patrioten hält.
Ruft das Volk zu den Waffen und ist ein
Vater der Guerillataktik,
Sondiert in England die Stimmung gegen den Korsen.
Dann kommt der 16. März 1813:
Preußen kämpft gegen Frankreich
Bis Waterloo.
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Danach als Jakobiner verdächtigt
Las der König seine Briefe.
In Posen wurde er gegen die Insurrektion
Der Polen in Stellung gebracht,
Kam nicht zum Einsatz,
Fiel vielmehr der Cholera zum Opfer.
Vier Töchter, drei Söhne.
Berthold und Claus Schenk von Stauffenberg
Sind die Enkel seiner Tochter Emilie.
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Das Schiff mit dem Marmorblock fürs Grab
Aus Carrara versank in der Biscaya,
Ein zweites kam Jahre später an.
Der neue König kam auf den Thron.
Der britische Konsul in Danzig stiftete
Ein schweizerisches Wachthaus fürs Grab
In Sommerschenburg in der Magdeburger Börde.
Ein verdienter Kriegsveteran solle
Das Grab pflegen und bewachen
Auf alle Zeit.
Die endete in der Inflation 1923.
Sie hatte das Stiftungskapital vernichtet.
Der letzte Wächter, Förster Tomaschewski,
Wurde Opfer des 2. Weltkriegs.
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Heute war im „Bendlerblock“ der Termin der Übergabe des Memorandums der Strukturkommission an den Bundesverteidigungsminister. Der Soldat General Lather, die zwei Männer aus der Wirtschaft Heinrich Driftmann und Jürgen Kluge, die frühere Rechnungshof-Chefin Hedda von Wedel und der elder statesman Hans-Ulrich Klose haben dem Vorsitzenden Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Gedanken zu einer kleinen Reform aufgeschrieben. Unterm Strich kommt eine Halbierung der Personaldecke heraus.
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Elektroauto mit Weltrekord am Pariser Platz angekommen
Die Fahrt, die heute früh in Berlin endete, bedeutet einen Weltrekord, aber der Fahrer des Mobils ist nicht der Star wie einst der Eiserne Gustav, sondern lediglich das Fahrzeug: mit einer neuen Akkutechnik ausgestattet, einer Batterie auf Lithium-Metall-Polymer-Basis, fuhr es bemannt und beleuchtet ohne weitere Stromschlucker wie etwa eine Klimaanlage im 90-km-Tempo 605 Kilometer von München an die Spree und hatte noch 18 % Ressourcen im unterwegs unaufgeladen gebliebenen Akku. Selbst Wowereit kam zur Begrüßung und Brüderle sprach von einem Durchbruch. An diesem sollen 50 Fachleute die letzten sechs Wochen rund um die Uhr gearbeitet haben. Ein mittelständisches Unternehmen strebt für die Batterie Serienreife an.
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Aus der Werbung
Hacke, Axel / Di Lorenzo, Giovanni:
»Wofür stehst Du?«
Ein Plädoyer gegen die Gleichgültigkeit. Giovanni di Lorenzo und Axel Hacke haben zusammen ein ungewöhnliches Buch geschrieben: Sie stellen die große Frage nach den Werten, die für sie maßgeblich sind – oder sein sollten.
Zwei Freunde, nahezu gleichaltrig, stellen fest, dass sie sich in Jahrzehnten über vieles Private ausgetauscht haben, Leidenschaften, Ehen und Trennungen, Erfolge, Ängste und Todesfälle, dass aber eines zwischen ihnen seltsam unbesprochen blieb: An welche grundlegenden Werte glaubst du eigentlich, wenn es nicht um dich, sondern um uns alle geht? Was ist wirklich wichtig in diesem Land? Für welche Ziele der Gemeinschaft bist du bereit, dich einzusetzen? Kurz: Wofür stehst du?
Wir leben in Zeiten unübersehbaren Rückzugs ins Persönliche, einer nachgerade verbissenen, ja, verzweifelten Glückssuche im Privaten, der massenhaften Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortung, in Zeiten von Missmut, Frust und Gemoser über den Staat. Die Beteiligung an Wahlen sinkt kontinuierlich, die Bereitschaft, sich als Bürger zu verstehen, wird immer geringer.
Dafür wachsen Ansprüche auf der einen, Gleichgültigkeit auf der anderen Seite. Das ist angesichts großer Herausforderungen eine unakzeptable Situation, aus der viele Menschen für sich selbst ratlos und vergeblich einen Ausweg suchen.
In diesem Buch versuchen die Autoren zu beschreiben, welche Werte sie für wichtig halten – und dies auf sehr ungewöhnlichen Wegen: nicht als abstrakten Tugendkatalog, sondern als eine Art Inventur bisheriger Lebensführung. Manchmal jeder für sich, dann wieder beide gemeinsam oder im Schlagabtausch, mal essayistisch, mal im Stile von Reportern, geradezu psychoanalytisch suchend, bisweilen poetisch und assoziativ, dann wieder sehr nüchtern reflektierend, immer subjektiv erzählend und sehr selbstkritisch suchen die Autoren nach Antworten in den großen Themenfeldern Politik und Staat, Klimawandel, Gerechtigkeit, Migration und Fremdheit, Angst und Depression, Krankheit und Tod.
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Erschienen: 09/2010
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Berliner Polizeibericht
Waffen in der Waschküche
Mitte, 26.10.
Ein verstecktes Waffenlager entdeckten Polizeibeamte des Abschnitts 35 gestern Mittag in Wedding.
Nach einem anonymen Anruf suchten die Beamten gegen 12 Uhr 15 die vom unbekannten Anrufer genannte Adresse auf, gelangten in die nicht mehr genutzte Waschküche eines Wohnhauses in der Togostraße und stießen tatsächlich auf ein Waffenversteck. Hinzugezogene Ermittler des Landeskriminalamtes stellten neben Pistolen und Revolvern auch zwei Maschinenpistolen, eine „Pumpgun“ und weitere Langwaffen sicher. In mehreren Kisten, Körben und Futteralen lagerten dort scharfe Waffen und kriegstaugliche Munition. Insgesamt elf Kurz- und neun Langwaffen sowie etwa 2.000 Patronen werden nun von der Kriminaltechnik auf unterschiedliche Spuren untersucht.
Die Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz hat das zuständige Fachkommissariat beim Landeskriminalamt übernommen.
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Letztes Wort
„Ich sterbe, weil ich meine Heimat liebe.“ [hingerichtet]
Hermann Berndes, deutscher Soldat, 1945