berliner abendblätter 2.00 am 31.12.

31.12.
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Millionen-Baby
Modell für eine Gesellschaft
Wer entscheidet unter welchen Kriterien über die Geldmenge in einem Staat? Warum wird das Geld nicht für die Neugeborenen gedruckt? In Deutschland waren 2009 absolut 665.000 Kinder geboren. Würden für jedes Neugeborene 1.000.000 Euro angelegt, wäre ein Grundstock für ein voraussichtlich über 80-jähriges Leben gelegt. Die Kontrolle über die Ausschüttung bliebe beim Staat. Monatlich könnten 1.000 Euro angewiesen werden. Die ersten 18 Jahre ginge das Geld an Erziehungsberechtigte. Mit dem zurückgehaltenen Geld könnte die öffentliche Hand Wirtschaften, Anlegen, Investieren, sich im Ausland Engagieren. Kitagebühren, Lehrmittel und Schulgeld könnten damit aufgebracht werden. Die wahren Kosten für Staatsleistungen wären transparent gemacht. Von Anfang an würde der neue Mensch „Steuern“ zahlen. Bis zur Lebensmitte bliebe der Großteil des anzulegenden Geldes in der Hand des Staates. In der Erwachsenenphase hätte die Million den Effekt eines Bürgergeldes. Es gäbe nicht nur keine armen Kinder mehr, sondern auch keine armen Familien! Im Alter wäre dann die Rente sicher. 1.000 Euro aus einer Summe von 1.000.000 Euro reichen bis zum Alter von 84 Jahren und vier Monaten. Erst ab dieser Altersgrenze wäre ein zusätzlicher Transfer nötig. Eingeführt werden könnte die Regelung im ganzen EU-Raum. Die Länder der Union mit eigener Währung würden den Betrag in 1.000 dieser Währung auszahlen. Rechnung getragen wäre, dass der wahre Reichtum der Welt auf Menschenleben gründet und dass einem jeden solchen Kredit zu gewähren ist. Niemand müsste Lehrerin, Gabelstapelfahrer, Richterin, Polizistin, Pfarrer, Bäckerin sein. Jeder Beruf wäre ein zusätzliches Engagement aus Leidenschaft.

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„Die Gebärmütter der Frauen entscheiden über den Krieg“
Bevölkerungslehrer am Humboldt-Katheder
Zum Thema „Gewalt, Faszination und Ordnung“ fand in diesem Jahr eine Ringvorlesung an der Berliner Humboldt-Universität statt. Passend zum Titel gestaltete der Soziologe Gunnar Heinsohn einen Termin im November. Mit den Worten „der weibliche Körper ist der Ort, aus dem die neue Arbeitskraft kommt“, verneigte er sich zu Beginn ausdrücklich vor den anwesenden Damen. Heinsohn hub zu einer historisch-demographischen tour d´horizont an. Am 5.12.1484 erlässt Papst Innozenz VIII. die Bulle Summis desiderantes affectibus (deutsch: In unserem sehnlichsten Wunsche), vulgo Hexenbulle. Der Tag gilt dem Soziologen als Geburtsstunde der frühneuzeitlichen Geburtenkontrolle. Die stark dezimierte Bevölkerung Europas sollte sich in der Folge erholen. Allein, die „Secondones“, die Zweit-, Dritt- und Viertgeborenen (scilicet Söhne) mussten ihr Auskommen in der Auswanderung suchen. Nun sind wir mitten im späten Lebensthema des 1943 in Gotenhafen bei Danzig geborenen Sohn einer Mutter und des U-Boot-Kommandanten Heinrich Heinsohn. „Söhne und Weltmacht“ ist eine 2008 erschienene Studie, „Die demographische Kapitulation“ und „Finis Germaniae“ lauten Titel aus seiner Feder, recht sarrazinesk. Nicht mehr deutsche Jungensüberschüsse treiben Heinsohn um, sondern die youth bulges (Geburtenratsbeulen) Außereuropas. Die jungen Männer sind gut genährt und gut ausgebildet und suchen nach „Pfründen“. Klassenkämpfe werden spätestens jetzt in Augen von Heinsohn und seinem Kombattanten Peter Sloterdijk zu „Immunsystemkämpfen“. Bleiben die jungen Krieger im Lande, heißt das dann Bürgerkrieg, gehen sie in weltmissionarischer Absicht nach außen, brennt der Globus. Gemünzt ist die monokausale Lehre auf Muslime. In der Tat sollten die gleichgestimmten Herren solcher gelehrten Huberei baldigst eine Partei gründen.
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Haushalterische Jahresbilanz 2010
Laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden standen in Deutschland 837,2 Milliarden Euro Ausgaben der öffentlichen Hand 753,1 Milliarden Euro Einnahmen gegenüber.. Das heißt, dass notorisch 10 % zuviel ausgegeben wird. Welcher Haushalt hält das wie lange aus?
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12. Fünf-Jahres-Plan in China
Im neuen Jahr greift der neue Fünf-Jahres-Plan im bevölkerungsreichsten Land der Erde. Der Aufbau eines sozialen Netzes steht auf der Agenda ganz oben.
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„Hier ist der Anschluss des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Für die deutsche Position wählen Sie bitte die Eins, für die französische die Zwei, für die britische die Drei.“
Witz der Lady Ashton
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US-Sonde „Voyager 1“ Am Rande des Sonnensystems
33 Jahre nach ihrem Start und nach einer Reise von 17,4 Milliarden Kilometern sendet die Nasa-Sonde „Voyager 1“ noch immer Daten zur Erde. Inzwischen nähert sie sich der sogenannten Heliopause, wo der Einfluss der Sonne schwindet.
Nie zuvor ist ein von Menschen erbautes Objekt so weit geflogen: 33 Jahre nach ihrem Start nähert sich die US-Raumsonde Voyager 1 dem Rand unseres Sonnensystems. Das teilte die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit.
VOYAGER Bild vergrößern
Seit dem 5. September 1977 ist die Raumsonde „Voyager 1“ in unserem Sonnensystem unterwegs. (© AP)
Seit dem Start der Sonde am 5. September 1977 hat sie bereits 17,4 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Derzeit befinde sie sich in einem Bereich, in dem der Sonnenwind – ein Partikelstrom, der von der Sonne mit 1,6 Millionen Kilometer in der Stunde ausgestoßen wird – nachlasse, was darauf hindeute, dass Voyager 1 das Sonnensystem bald ganz verlasse, erklärten Raumfahrtexperten.
Schon seit 2004 fliegt die Sonde durch eine äußere Schicht unseres Sonnensystems. Im Juni hatten die Forscher festgestellt, dass der Sonnenwind nur noch genauso schnell ist wie die Sonde selbst. Die Bordinstrumente hätten keinen Sonnenwind mehr messen können.
„Das sagt uns, dass die Heliopause nicht weit entfernt ist“, erklärte Edward Stone vom Nasa Jet Propulsion Laboratory. Die Heliopause, auf Deutsch etwa Sonnenhülle, ist der äußere Bereich des Sonnensystems, in dem der Einfluss des Zentralgestirns schwindet.
Allerdings bedeute dies nur, dass sich Voyager 1 dem Rande nähert, sagte der Wissenschaftler bei einem Treffen der American Geophysical Union in San Francisco. Endgültig verlassen werde die Sonde das Sonnensystem in etwa vier Jahren, wenn sie von der Heliopause in den interstellaren Raum wechsle.
Die Raumsonde hatte die Planeten Jupiter und Saturn 1979 beziehungsweise 1980 besucht und die ersten detaillierten Bilder von deren Monden zur Erde gefunkt. Zusammen mit ihrer gleichzeitig gestarteten Schwester-Sonde Voyager 2 machte sie Fotos von allen äußeren Planeten unseres Sonnensystems. Voyager 2 fliegt in entgegengesetzter Richtung zum Rand des Sonnensystems. Voyager 1 ist mit 61.150 Kilometern in der Stunde unterwegs, Voyager 2 ist mit 56.300 Kilometern in der Stunde etwas langsamer.
14.12.2010, SZ
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„It is not enough to succeed, others must fail.“ – „Es genügt nicht Erfolg zu haben, die Anderen müssen scheitern.“
Gore Vidal
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Letztes Wort
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„I must go in, the fog is rising.“ („Ich muss rein gehen, der Nebel kommt auf.“)
Emily Dickinson, US-amerikanische Dichterin, 1886
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Extrablatt
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Die Pressemeldungen des Monats
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Letztes Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr
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Bundesverfassungsgericht – Pressestelle –
Pressemitteilung Nr. 120/2010 vom 29. Dezember 2010
Beschluss vom 7. Dezember 2010
1 BvR 2628/07
Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005 verfassungsgemäß
Die Arbeitslosenhilfe war eine aus Steuermitteln finanzierte
Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit, die von der Bundesagentur
für Arbeit im Auftrag des Bundes erbracht wurde. Neben weiteren
Tatbestandsvoraussetzungen setzte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe
dem Grunde nach die Bedürftigkeit des Antragstellers voraus, während
sich ihre Höhe nicht am Bedarf des Empfängers, sondern an dessen letztem
Arbeitsentgelt orientierte, und sich auf einen bestimmten Prozentsatz
eines pauschalierten Nettoarbeitsentgelts belief. Die Arbeitslosenhilfe
wurde in Zeitabschnitten bewilligt; vor jeder erneuten Bewilligung waren
sämtliche Leistungsvoraussetzungen des Anspruchs erneut zu prüfen. Nach
§ 428 Abs. 1 Satz 1, § 198 Satz 2 Nr. 3 SGB III bestand ferner die
Möglichkeit, Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen in
Anspruch zu nehmen: Auch solche Arbeitnehmer hatten Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe, die das 58. Lebensjahr vollendet hatten und die
Regelvoraussetzungen des Anspruchs allein deshalb nicht erfüllten, weil
sie nicht arbeitsbereit waren und nicht alle Möglichkeiten nutzten oder
nutzen wollten, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Davon ging
die Praxis aus, wenn der Arbeitslose gegenüber der Bundesagentur für
Arbeit eine entsprechende Erklärung abgab.
Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom
24. Dezember 2003 wurden die Regelungen der Arbeitslosenhilfe dahin
geändert, dass diese nur noch bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden
durfte; diese Änderung trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Zudem wurde die
Arbeitslosenhilfe ab dem 1. Januar 2005 vollständig aus dem
Leistungskatalog der Arbeitsförderung gestrichen. An ihre Stelle ist das
Arbeitslosengeld II nach den Vorschriften des SGB II – Grundsicherung
für Arbeitsuchende – getreten, dessen Berechnung sich nicht mehr an dem
früheren Einkommen des Hilfebedürftigen, sondern grundsätzlich an dessen
Bedarf orientiert.
Der 1946 geborene Beschwerdeführer bezog Arbeitslosenhilfe. Im Juni 2004
gab er eine Erklärung im Sinne von § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III ab und
bezog sodann weiter Arbeitslosenhilfe bis zum Jahresende. Seinen Antrag
auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ab Januar 2005 lehnte der
Leistungsträger mit der Begründung ab, das anzurechnende monatliche
Einkommen übersteige den ermittelten Gesamtbedarf des Beschwerdeführers
und seiner Ehefrau. Die Klage des Beschwerdeführers auf Weiterzahlung
der Arbeitslosenhilfe blieb vor den Sozialgerichten ohne Erfolg. Der
Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen und
durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe in seinem Grundrecht auf
Eigentum verletzt und rügt ferner einen Verstoß gegen den
verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, soweit sie zulässig war,
als unbegründet zurückgewiesen. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe
ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verletzt den Beschwerdeführer
nicht in seinem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), da der
gesetzliche Anspruch auf Arbeitslosenhilfe kein Eigentum im Sinne dieses
Grundrechts ist. Dies gilt auch für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe
unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III.
Sozialrechtliche Ansprüche genießen nur dann grundrechtlichen
Eigentumsschutz, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen
handelt, die der Existenzsicherung dienen und auf nicht unerheblichen
Eigenleistungen ihres Inhabers beruhen.
Letzteres trifft auf den gesetzlichen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe
nicht zu. Es bestand kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang
zwischen den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung und den Aufwendungen
für die Arbeitslosenhilfe. Die Beitragseinnahmen dienten allein der
Finanzierung des Arbeitslosengeldes, nicht aber der Arbeitslosenhilfe,
die im Auftrag des Bundes immer aus Steuermitteln erbracht wurde. Die
Arbeitslosenhilfe war finanzrechtlich auch nicht als eine aus Beiträgen
und Steuern mischfinanzierte Einheit konzipiert. Die grundlegenden
Unterschiede zwischen dem Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe
schließen auch die Annahme aus, dass beide Leistungen in einem
einheitlichen Gesamtanspruch verbunden waren. Während das
Arbeitslosengeld eine zeitlich begrenzte Versicherungsleistung war, traf
dies auf die grundsätzlich zeitlich unbefristet geleistete
Arbeitslosenhilfe nicht zu, die zudem – anders als das Arbeitslosengeld
– nur bei Bedürftigkeit unter Berücksichtigung des Vermögens gewährt
wurde. Die Arbeitslosenhilfe war eine sozialpolitisch motivierte
Leistung, die ohne Bezug auf die Beitragsleistung des Versicherten und
nicht als modifizierte Fortsetzung des Arbeitslosengeldes geleistet
wurde.
2. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe verstößt nicht gegen das
Vertrauensschutzprinzip, weil sie keine Rückwirkung entfaltete und der
Beschwerdeführer auch nicht aus anderen Gründen vor einer Änderung der
Rechtslage geschützt war.
Eine echte Rückwirkung, bei der ein Gesetz nachträglich ändernd in
abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder
seine zeitliche Anwendung auf einen Zeitpunkt vor der Gesetzesverkündung
festlegt, liegt nicht vor. Denn sowohl die Befristung der Neu- oder
Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe bis zum 31. Dezember 2004 als
auch ihre Abschaffung zum 1. Januar 2005 wirkten sich lediglich auf
zukünftige Bewilligungsabschnitte aus.
Auch eine sog. unechte Rückwirkung, die vorliegt, wenn ein Gesetz auf
gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die
betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet, ist nicht gegeben. Die
Arbeitslosenhilfe wurde nur abschnittsweise und nur nach einer
Neuprüfung der Anspruchsvoraussetzungen bewilligt. Ein Recht, das durch
den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte
geschützt werden können, entstand daher frühestens mit der jeweiligen
Neu- oder Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe und bezog sich nur auf
die Zeit bis zum Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts.
Das allgemeine Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand einer Rechtslage
und seine danach erwartete zukünftige Leistungsberechtigung ist keine
verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition. Auch die Abgabe einer
Erklärung nach § 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III erweist sich nicht als
Disposition des Arbeitslosen, die schutzwürdiges Vertrauen in den
Fortbestand des Anspruchs begründen konnte. Zudem bestand für den
Beschwerdeführer von vornherein keine Grundlage für die Bildung
schutzwürdigen Vertrauens mit dem Inhalt, dass Arbeitslosenhilfe über
den 31. Dezember 2004 hinaus gewährt würde, weil die Befristung der
Arbeitslosenhilfe bis zum 31. Dezember und ihr Wegfall ab dem 1. Januar
2005 bereits gesetzlich festgelegt waren, bevor er seine Erklärung nach
§ 428 Abs. 1 Satz 1 SGB III abgegeben hatte.

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Pressemeldungen der Senatsverwaltung für Justiz
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Zwischenfall in der JVA Tegel war möglicherweise ein Fluchtversuch
Pressemitteilung Nr. 56/2010 vom 21.12.2010
Der 54jährige Inhaftierte, der am Freitag auf ein Dach in der JVA Tegel geklettert war, wollte möglicherweise einen Fluchtversuch unternehmen. Nachdem der Mann auf dem Dach entdeckt worden war, hatte er zunächst gedroht, vom Dach zu springen, und gesagt, dass er angesichts seiner langen Haftstrafe „keinen Sinn mehr“ sehe. Gegen 22 Uhr konnte der Mann von der Anstaltsleitung überredet werden, wieder in den Haftraum zurückzukehren. Das alarmierte Sondereinsatzkommando der Polizei und die Feuerwehr mussten nicht eingreifen (vergleiche die Pressemitteilungen vom 17. Dezember und 18. Dezember 2010).
Bereits am Wochenende hatte ein Spezialisten-Team der Vollzugsanstalt die Untersuchung des Zwischenfalls begonnen. Nach verschiedenen Durchsuchungen und Befragungen halten es die Ermittler nicht mehr für ausgeschlossen, dass der Mann einen Fluchtversuch unternehmen wollte. Der Inhaftierte war als Hausarbeiter eingesetzt und war am Freitagnachmittag zu einem Reparatureinsatz im Anstaltsgelände unterwegs. Er schlich sich stattdessen in die technische Versorgungszentrale ein. Unterdessen wurde sein Fehlen bei der „Bestandszählung“ entdeckt und das Anstaltsgelände durchsucht. Dabei wurde der Mann auf dem Dach entdeckt.
Die Justizvollzugsanstalt hat Anzeige erstattet. Nunmehr ermittelt die Staatsanwaltschaft, insbesondere, um die Frage von möglichen Fluchthelfern außerhalb der Anstalt zu klären. Entgegen einem anderslautenden Medienbericht bestehen nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Hubschrauber zur Flucht eingesetzt werden sollte.
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Presseübersicht der Staats- und Amtsanwaltschaften
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PM 55/2010 Kokainhändler festgenommen – Haftbefehle erlassen
Pressemitteilung Nr. 55/2010 vom 15.12.2010
Des Polizeipräsidenten in Berlin – Pressestelle – und
der Generalstaatsanwaltschaft Berlin – Der Pressesprecher –
In einem bei der Staatsanwaltschaft Berlin und dem Landeskriminalamt geführten Ermittlungsverfahren wegen illegalen Betäubungsmittelhandels stellten Polizeibeamte gestern in mehreren Wohnungen größere Mengen Rauschgift sicher.
Die Ermittler des Kommissariats für täterorientierte Bekämpfung der organisierten Kriminalität konzentrierten ihre Ermittlungen dabei auf drei 18-, 33- und 34-Jährige, die dringend verdächtig sind, seit längerer Zeit in größerem Umfang Kokain an Abnehmer aus dem Berliner Stadtgebiet verkauft zu haben. Als schwerpunktmäßiger Umschlagplatz dienten dabei Geschäfte, Parkplätze und Grünanlagen um das Rathaus Steglitz herum.
In einer eigens für den Handel angemieteten Wohnung in Steglitz fanden die Ermittler 139.000 Euro und etwa fünf Kilogramm Kokain mitsamt dazugehörigem Streckmittel. In der Lichterfelder Wohnung des 34-Jährigen entdeckten die Fahnder 46.000 Euro, die in einem Schuhschrank versteckt waren.
Neben Feinwaagen, Elektromühlen, einem Notebook und etlichen Mobiltelefonen beschlagnahmten die Polizisten auch die von den Beschuldigten für den Handel benutzten „Mercedes Benz“, „Opel“, „VW“ und einen „BMW“. Ein Ermittlungsrichter erließ gestern Haftbefehl gegen alle drei Tatverdächtigen wegen illegalen Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die weiteren Ermittlungen dauern an.
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PM 56/2010 Anklageerhebung gegen die Vorsitzende des Hauptpersonalrats des Landes Berlin wegen Bestechlichkeit
Pressemitteilung Nr. 56/2010 vom 23.12.2010
Die Staatsanwaltschaft hat gegen die 47-jährige Vorsitzende des Hauptpersonalrats des Landes Berlin, Benita H., Anklage wegen Bestechlichkeit vor dem Amtsgericht Tiergarten erhoben.
Die Angeschuldigte war zur Tatzeit Angestellte des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf und als Leiterin der örtlichen Zentralbibliothek „Mark Twain“ für die Beschaffung von Büromaterial zuständig.
Die Anklage wirft ihr vor, sich im September 2008 von einem Außendienstmitarbeiter eines Büroartikelherstellers für die Erteilung eines Auftrags einen Gutschein einer Parfümeriekette im Wert von 50 Euro versprechen lassen zu haben. Daraufhin soll sie noch am selben Tag dem Büroartikelhersteller einen Auftrag über die Lieferung von 1.100 sogenannte Laminiertaschen im Wert von 1714,08 EURO erteilt haben.
Den Gutschein soll die Angeschuldigte am 20. Oktober 2008 erhalten haben.
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PM 57/2010 Wirtschaftstraftäter nach Australien ausgeliefert
Pressemitteilung Nr. 57/2010 vom 23.12.2010
Generalstaatsanwaltschaft Berlin
– Der Pressesprecher –
Aufgrund eines Auslieferungsersuchens der australischen Generalstaatsanwaltschaft ist der britische und US-amerikanische Staatsangehörige Peter C. in dieser Woche von der Berliner Justiz an die australischen Behörden überstellt worden.
Der 52-jährige C. war bereits im Mai 2000 durch ein australisches Gericht aufgrund eines eigenen Schuldbekenntnisses wegen der Veruntreuung von Mandantengeldern im Gegenwert von ca. 3,1 Mio € verurteilt worden, für die er als leitender Angestellter einer Treuhandfirma verantwortlich war. Die daraufhin gewährte Haftverschonung hatte er zur Flucht genutzt, bevor das Gericht in Canberra das Strafmaß festsetzen konnte.
Nachdem er sich mehrere Jahre unter Verwendung gefälschter Papiere unter fünf verschiedenen Identitäten verborgen gehalten hatte, konnte er am 21. Juni 2010 auf dem Flughafen Berlin-Tegel gefasst werden.
Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin erklärte das Kammergericht am 15. September 2010 die Auslieferung an Australien für die genannten Taten für zulässig. Die Annahme seiner gegen die Bewilligung der Auslieferung durch die Bundesregierung gerichteten Verfassungsbeschwerde lehnte das Bundesverfassungsgericht im November ab.
Steltner
Pressesprecher
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Presseübersicht des Kammergerichts
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Landgericht Berlin: Auskunftsklage zu Duogynon-Wirkungen verhandelt – Entscheidung (PM 58/2010)
Pressemitteilung Nr. 58/2010 vom 30.11.2010
Die Präsidentin des Kammergerichts
Pressestelle der Berliner Zivilgerichte
Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin
Das Landgericht Berlin hat heute über eine Zivilklage gegen die Bayer Schering Pharma
AG zu Wirkungen des Medikaments Duogynon verhandelt. Der im Jahre 1976 geborene
Kläger verlangt in diesem Verfahren unter Hinweis auf eigene gesundheitliche Schäden
Auskunft von dem Unternehmen über ihm bekannte schädliche Wirkungen des Medikaments.
Er führt seine Gesundheitsschäden auf die Einnahme von Duogynon durch seine
Mutter während der Schwangerschaft zurück. Die Auskunftsklage soll der Vorbereitung
von Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen dienen. Das beklagte Unternehmen
bestreitet eine gesundheitsschädliche Wirkung des Medikaments.
In der mündlichen Verhandlung wies der Richter der Zivilkammer 7, Udo Spuhl, auf Bedenken
gegen die Erfolgsaussicht des Auskunftsverlangens hin. Ein Auskunftsanspruch
bestehe nur zur Vorbereitung von durchsetzbaren Zahlungsansprüchen. Schadensersatzansprüche
des Klägers seien jedoch nach seiner gegenwärtigen Einschätzung verjährt.
Eine Entscheidung des Gerichts ist für den 11. Januar 2011 angekündigt.
Gesch-Nr.: 7 O 271/10 Landgericht Berlin
Zwei Zusätzliche Informationen:
a) Der Wortlaut des § 84a Arzneimittelgesetz ist verfügbar unter http://www.gesetze-iminternet.
de/amg_1976/__84a.html
b) Der Klageantrag im Wortlaut:
„1.
die Beklagte zu verurteilen, Auskunft gemäß § 84a AMG zu erteilen über sämtliche ihr
bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle
hinsichtlich des von seitens der Beklagten in Deutschland bis 1983 vertriebenen
Medikaments Duogynon bzw. Cumorit (Dragees, Wirkstoff: Ethiylestradiol 0,02 mg,
Norethiateronacetat 10 mg) ausgehenden schädlichen Wirkungen, soweit sie
Blasenextrophien und weitere Gefäßdefekte betreffen, sowie sämtliche weiteren Erkenntnisse,
die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung
sein können.
2.
für den Fall der nicht richtigen oder nicht vollständigen Auskunftserteilung die Richtigkeit
und Vollständigkeit durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu erklären“.
c) Der Termin zur Verkündung der Entscheidung des Landgerichts ist anberaumt auf den
11. Januar 2011, 12.00, Saal 115 (Landgericht Tegeler Weg).
Bei Rückfragen:
Dr. Ulrich Wimmer (Tel: 030 – 9015 2504, – 2290)
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Presseübersicht des Oberverwaltungsgerichts
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Pro Sieben“ muss Werbeeinnahmen für „Bimmel-Bingo“ in der Sendung „TV-total“ abführen – 31/10
Pressemitteilung
Berlin, den 08.12.2010
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat durch Berufungsurteil vom 2. Dezember 2010 – unter Änderung eines insoweit teilweise stattgebenden Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin – die Klage des Senders „Pro Sieben“ gegen zwei Bescheide der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg abgewiesen, mit denen diese von der Klägerin zunächst Auskunft über Werbeentgelte im Zusammenhang mit beanstandeten Beiträgen unter dem Titel „Bimmel-Bingo“ in den Sendungen „TV-total“ Ende 2001 und Anfang 2002 verlangt und später – nach erfolglosem Fristablauf – die Auszahlung geschätzter Werbeeinnahmen geltend gemacht hatte.
Im Rahmen der beanstandeten Sendebeiträge hatte ein Kamerateam unangekündigt nachts an Haustüren von Einfamilienhäusern geklingelt, um deren Bewohner zu wecken und sie zur Mitwirkung an der Sendung dadurch zu bewegen, dass ihnen für das Erraten eines von drei – zumeist drastisch ihre Verärgerung ausdrückenden – vorgegebenen Begrüßungssätzen ein Geldgewinn in Aussicht gestellt wurde. Hierbei wurden regelmäßig zunächst das Klingelschild des Hauses mit dem Familiennamen und später die mit diesem Namen angesprochenen Anwohner in Schlafbekleidung gezeigt. In zwei Beiträgen war hierbei – durch sofortiges Zuschlagen der Haustür, Herunterlassen von Jalousien oder Drohung mit dem Ruf der Polizei – deutlich erkennbar, dass kein Einverständnis mit dem Wecken und den Filmaufnahmen bestand. Die Beanstandung dieser Beiträge, u.a. wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen und ihrer Rechte am eigenen Bild, war nicht mehr streitig, wohl aber die daran anknüpfende Auskunft über erzielten Werbeeinnahmen des Senders bzw. deren Abschöpfung.
Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat in seinem Urteil festgestellt, dass das Auskunfts- und Abführungsverlangen auf der Grundlage des Medienstaatsvertrags Berlin-Brandenburg (MStV) rechtmäßig war. Das Oberverwaltungsgericht hat insbesondere auch die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin zurückgewiesen, die u.a. geltend gemacht hatte, die Entgeltabschöpfung sei im Hinblick auf die abschließenden bundesrechtlichen Regelungen des Verfalls im Strafgesetzbuch bzw. im Ordnungswidrigkeitengesetz generell unzulässig. Eine entsprechende Sperrwirkung besteht nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht. Vielmehr sei der Landesgesetzgeber durchaus befugt, im Rahmen seiner Zuständigkeit Regelungen zu schaffen, um zu verhindern, dass aus anderen rechtswidrigen Handlungen wirtschaftliche Vorteile gezogen würden. Dies entspreche einem allgemeinen Grundsatz der Rechtsordnung, der keineswegs auf das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht beschränkt sei. Wenn es im Einzelfall zu Überschneidungen kommen sollte, müsse nur sichergestellt sein, dass es nicht mehrfach zur Entgeltabschöpfung komme.
Urteil vom 2. Dezember 2010 – OVG 11 B 35.08
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Oberverwaltungsgericht bestätigt „Kuttenverbot“ für Hells Angels im Gerichtsgebäude des Landgerichts Potsdam – 32/10
Pressemitteilung
Berlin, den 20.12.2010
Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom heutigen Tag die Beschwerde eines Angehörigen des Motorradclubs „Hells Angels“ zurückgewiesen, der erreichen wollte, dass er als Zuschauer in einem Strafverfahren seine Motorradkutte tragen darf.
Im Landgericht Potsdam findet zurzeit ein Strafverfahren gegen mehrere Mitglieder der Hells Angels wegen des Vorwurfs der Erpressung statt. Der Präsident des Landgerichts hat verfügt, dass an den jeweiligen Verhandlungstagen keine Personen das Gelände des Justizzentrums betreten dürfen, die Bekleidungsstücke tragen, die die Zugehörigkeit zu einem Motorradclub demonstrieren.
Das Oberverwaltungsgericht hat wie zuvor schon das Verwaltungsgericht Potsdam die Verfügung des Präsidenten des Landgerichts in einer Eilentscheidung bestätigt. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Gerichtspräsident dürfe als Inhaber des Hausrechts Regelungen über den Zutritt zum Dienstgebäude und den Aufenthalt von Personen in den Räumen des Gerichts treffen. Er müsse dabei jedoch insbesondere den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens beachten. Maßnahmen, die den Zugang zu einer Gerichtsverhandlung nur unwesentlich erschwerten und keine persönlichkeitsbezogene Auswahl der Zuhörerschaft beinhalteten, seien mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz und dem Recht auf Handlungsfreiheit der Zuschauer vereinbar, wenn für die Maßnahmen aus Sicherheitsgründen ein verständlicher Anlass bestehe. Das sei hier der Fall. In dem Strafverfahren spiele das von einzelnen Mitgliedern der Hells Angels ausgehende Bedrohungspotential eine Rolle. Die Annahme des Landgerichtspräsidenten, dass das sichtbare Auftreten von Angehörigen dieser Gruppierung gerade in dem Strafverfahren das Sicherheitsgefühl von Verfahrensbeteiligten, Zeugen und weiteren Personen beeinträchtigen könne, sei sachlich verständlich. Es gehöre zu den Aufgaben des Gerichtspräsidenten, auf dem Gelände des Justizzentrums für eine angstfreie Atmosphäre zu sorgen, damit Zeugen unbelastet ihren staatsbürgerlichen Pflichten nachkommen könnten und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Leistungsfähigkeit der Justiz nicht erschüttert werde. Der Präsident des Landgerichts müsse dabei eine Prognose anstellen und könne nicht darauf verwiesen werden, erst bei unmittelbaren Anzeichen einer bevorstehenden Störung oder sogar erst nach deren Eintritt zu reagieren. Demgegenüber sei der verfügte Eingriff in die Handlungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht potentieller Zuschauer des betroffenen Strafverfahrens vergleichsweise gering.
Beschluss vom 20. Dezember 2010 – OVG 10 S 51.10
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Presseübersicht des Kanmmergerichts
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Weitere Strafzahlung gegen NPD in Höhe von 33.000 Euro rechtmäßig (Nr. 54/2010)
Pressemitteilung Nr. 54/2010 vom 03.12.2010
Die von der Bundestagsverwaltung gegenüber der NPD festgesetzte weitere Sanktion in Höhe von 33.000 Euro ist wegen festgestellter Unrichtigkeiten in den Rechenschaftsberichten 2004 – 2007 zu Recht ergangen. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom heutigen Tage entschieden.
Die 2. Kammer des Gerichts bestätigte die von der Bundestagsverwaltung gerügten Verstöße gegen das parteienrechtliche Transparenzgebot. Die NPD habe es unterlassen, Einnahmen aus Veranstaltungen der Kreisverbände Jena und Gera in Höhe von insgesamt 16.603,79 Euro für die Jahre 2004 – 2007 in den jeweiligen Rechenschaftsberichten auszuweisen. In den Jahren 2004 – 2006 habe die Partei diese Einnahmen direkt mit den Ausgaben verrechnet, was nach dem Parteiengesetz unzulässig sei. Im Jahr 2007 seien Einnahmen unerwähnt geblieben, weil der Bundesvorstand der NPD bei der Abfassung des Rechenschaftsberichtes Zahlen aus Excel-Tabellen nicht eingefügt habe. Die Fehler seien der Klägerin auch vorzuwerfen, was die Festsetzung einer Sanktion rechtfertige.
Wegen der grundsätzlich bedeutsamen Frage, ob die Vorschrift des § 31b Parteiengesetz Verschulden (Vorsatz und Fahrlässigkeit) erfordert, hat die Kammer die Berufung und die Sprungrevision zugelassen.
Urteil der 2. Kammer vom 3. Dezember 2010 – VG 2 K 108.10 –.
§ 31b des Parteiengesetzes: Unrichtigkeit des Rechenschaftsberichts
Stellt der Präsident des Deutschen Bundestages im Rahmen seiner Prüfung nach § 23a Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht fest, entsteht gegen die Partei ein Anspruch in Höhe des Zweifachen des den unrichtigen Angaben entsprechenden Betrages, soweit kein Fall des § 31c vorliegt. Betreffen Unrichtigkeiten in der Vermögensbilanz oder im Erläuterungsteil das Haus- und Grundvermögen oder Beteiligungen an Unternehmen, beträgt der Anspruch 10 vom Hundert der nicht aufgeführten oder der unrichtig angegebenen Vermögenswerte. Der Präsident stellt die Verpflichtung der Partei zur Zahlung des Betrages durch Verwaltungsakt fest. § 31a Abs. 2 bis 5 gilt entsprechend.
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Anspruch Italiens auf Herausgabe eines antiken Helmes ist verjährt (Nr. 55/ 2010)
Pressemitteilung
Berlin, den 09.12.2010
Ein von der Berliner Staatsanwaltschaft im Jahr 2003 beschlagnahmter Kegelhelm aus Bronze mit einer Verzierung in Gestalt eines Pferdekopfes (sog. Pferdeprotome) muss nicht an die Italienische Republik herausgegeben werden. Dies hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Dezember 2010 entschieden.
Die klagende Italienische Republik erfuhr 2002 von der Existenz eines antiken griechischen Kegelhelms aus der Zeit des 6. bis 7. Jhd. v. Chr., der Bestandteil einer privaten Kunstsammlung in Berlin ist. Nach Auffassung der italienischen Strafverfolgungsbehörden entstammt der Helm einer Raubgrabung in Apulien im Jahre 1993. Der Helm wurde in der Folge aufgrund eines Rechtshilfeersuchens der Italienischen Republik im Jahr 2003 von der Staatsanwaltschaft Berlin beschlagnahmt und befindet sich seit dem Jahr 2004 zur fachgerechten Lagerung in den Räumlichkeiten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Nachdem außergerichtliche Verhandlungen über eine Herausgabe des Helms an die Italienische Republik scheiterten, erhob diese im Jahr 2008 Klage gegen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Land Berlin sowie die Testamentsvollstrecker des Erben des bereits verstorbenen privaten Kunstsammlers aus Berlin.
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat die Klage auf Herausgabe des Helms abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der geltend gemachte Klageanspruch verjährt sei. Nach § 11 Abs. 1 des Kulturgüterrückgabegesetzes verjähre der Rückgabeanspruch des ersuchenden Staates in einem Jahr von dem Zeitpunkt an, in dem dessen Behörden von dem Ort der Belegenheit und der Person des Rückgabeschuldners Kenntnis erlangen. Diese Verjährungsfrist habe bereits im Jahr 2002 zu laufen begonnen. Daher sei der mögliche Herausgabeanspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2008 bereits verjährt gewesen. Zudem könne die Klage gegen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Land Berlin ohnehin keinen Erfolg haben, da diese im rechtlichen Sinne keine Sachherrschaft über den Helm ausübten und diesen somit nicht herausgeben könnten.
Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
– Urteil der 1. Kammer vom 9. Dezember 2010 – VG 1 A 199.08 –
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Jugendamt muss vorerst Kosten für Schulhelfer übernehmen (Nr. 56/2010)
Pressemitteilung Nr. 56/2010 vom 14.12.2010
Deckt die Schulverwaltung einen nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Schulhelferbedarf nicht, muss das Jugendamt die Kosten hierfür übernehmen. Dies folgt aus einer vorläufigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin.
Die Antragstellerin, die die 3. Klasse einer Grundschule besucht, leidet an frühkindlichem Autismus. Die Schulverwaltung hat ihr einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt „Autistische Behinderung“ zuerkannt und Unterstützung im Unterricht durch einen Integrationslehrer im Umfang von acht Schulstunden pro Woche bewilligt. Den Antrag der Schulleiterin, der Antragstellerin wie auch im vorherigen Schuljahr zusätzlich hierzu einen Schulhelfer im Umfang von 12 Wochenstunden zu bewilligen, lehnte die Schulverwaltung unter Verweis auf ausgeschöpfte Mittel ab. Wie von der Schulverwaltung empfohlen, beantragte die Antragstellerin daraufhin beim Jugendamt Eingliederungshilfe in Form von 12 Schulhelferstunden pro Woche. Dieses wandte hiergegen ein, die Tätigkeit der Schulhelfer sei eine reine schulorganisatorische Maßnahme. Schulhelferstunden könnten daher nicht als Kinder- und Jugendhilfe gewährt werden. Dies gelte auch dann, wenn sich die Schulverwaltung ihrer Verpflichtung entziehe.
Die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts hat der Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der Kosten des Schulhelfers im Umfang von 12 Stunden pro Woche zuerkannt. Der Einsatz des Schulhelfers stelle sich – ausgehend von der vorliegenden fachärztlichen Stellungnahme und den Stellungnahmen der Schulleiterin – nach den Umständen des Einzelfalles als erforderlich und geeignet dar, der Antragstellerin den Schulbesuch zu ermöglichen und zu erleichtern. Decke die zunächst anzugehende Schulverwaltung den Schulhelferbedarf nicht oder nicht ausreichend, bestehe grundsätzlich ein Jugendhilfebedarf. Eine Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Achtes Buch (Kinder- und Jugendhilfe), in deren Personenkreis die Antragstellerin unstreitig falle, könne grundsätzlich auch in Form der Übernahme der Kosten für Schulhelferstunden gewährt werden.
Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Beschluss der 18. Kammer vom 10. Dezember 2010 (VG 18 L 312.10).
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Greenpeace kann Bundeswirtschaftministerium nicht zur Vorlage von Bericht zur Versorgungssicherheit zwingen (Nr. 57/2010)
Pressemitteilung Nr. 57/2010 vom 14.12.2010
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kann nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nicht dazu zwingen, den sogenannten Monitoring-Bericht zur Versorgungssicherheit zu veröffentlichen.
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sieht vor, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie alle zwei Jahre spätestens zum 31. Juli einen Bericht über die bei dem Monitoring der Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Elektrizitätsversorgung gewonnenen Erkenntnisse und etwaige getroffene oder geplante Maßnahmen veröffentlicht. Nachdem das Ministerium dieser gesetzlichen Verpflichtung im Jahr 2010 noch nicht nachgekommen war, erhob Greenpeace im August 2010 Klage. Zur Begründung berief sich die Organisation darauf, der Bericht diene dazu, die Öffentlichkeit über drohende Versorgungsdefizite zu informieren. Als Teil der Öffentlichkeit könne auch Greenpeace diese Pflicht durchsetzen. Demgegenüber hatte das Ministerium u.a. geltend gemacht, ein für den Bericht erforderliches Gutachten sei rechtzeitig in Auftrag gegeben, vom Auftragnehmer aber noch nicht erstellt worden.
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage als unzulässig ab. Greenpeace fehle es an der erforderlichen Klagebefugnis, weil die gesetzliche Verpflichtung zur Vorlage des Berichts Dritten keinen Anspruch darauf verschaffe. Der Monitoring-Bericht habe allein den Zweck, neben der Europäischen Kommission auch die Öffentlichkeit über die Versorgungssicherheit zu informieren. Damit gehe aber kein individueller Anspruch einher. Eine andere Sicht sei auch nicht mit Blick auf die Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt geboten, die das EnWG umgesetzt habe.
Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Urteil der 4. Kammer vom 9. Dezember 2010 (VG 4 K 423.10).
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Keine Namensänderung bei Eintragung im Schuldnerverzeichnis (Nr. 58/2010)
Pressemitteilung Nr. 58/2010 vom 17.12.2010
Wer im Zentralen Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, kann eine Änderung seines Namens nicht beanspruchen. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Berlin die Klage einer Klägerin abgewiesen, die aus religiösen Gründen eine Änderung ihres Vornamens begehrt hatte.
Die Klägerin mit dem Vornamen „Christel“ hatte sich darauf berufen, der eindeutig christlich geprägte Name widerspreche ihrer Glaubensüberzeugung als Zen-Buddhistin. Statt dieses Namens wolle sie nunmehr einen ihrem Glauben entsprechenden Vornamen führen. Das zuständige Bezirksamt hatte das Begehren abgelehnt, zugleich aber angeboten, dass die Klägerin den Wunschnamen zusätzlich führen dürfe. Darauf wollte sich die Klägerin nicht einlassen und erhob Klage.
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage ab. Nach dem Namensänderungsgesetz dürfe der Vorname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertige. Dies sei der Fall, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergebe. Das könne hier nicht bejaht werden. Zwar sei nachvollziehbar, dass sich die Klägerin in ihrer Religionsfreiheit dadurch beeinträchtigt sehe, dass sie ausschließlich den auf christliche Ursprünge hinweisenden Vornamen „Christel“ führen müsse. Gleichwohl sei im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Vornamens höher zu gewichten, weil die Klägerin nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Zentrale Schuldnerverzeichnis Berlin beim Amtsgericht Schöneberg eingetragen sei. Die Errichtung des Schuldnerverzeichnisses diene sowohl den Gläubigerinteressen als auch dem Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs. Es müsse den sichergestellt werden, dass sich jeder rechtzeitig und mit vertretbarem Aufwand über die Kreditwürdigkeit von (potentiellen) Geschäftspartnern vergewissern könne. Mit einer vollständigen Vornamensänderung würde aber die Identifizierbarkeit der Klägerin und damit zugleich dieser Zweck erheblich erschwert.
Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Urteil der 3. Kammer vom 3. Dezember 2010 (VG 3 K 11.09).
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Planfeststellungsbeschluss zur Invalidenstraße ist rechtmäßig (Nr. 59/2010)
Pressemitteilung Nr. 59/2010 vom 22.12.2010
Das Verwaltungsgericht Berlin hat heute die gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Invalidenstraße gerichteten Klagen des BUND und weiterer Kläger abgewiesen.
Zur Begründung der Entscheidung hat die 1. Kammer des Gerichts ausgeführt: Die Invalidenstraße sei in ihrem bisherigen Zustand nicht in der Lage, den künftig zu erwartenden Verkehr auch unter Berücksichtigung der Schaffung einer Straßenbahnverbindung zwischen Hauptbahnhof und Chausseestraße angemessen und verkehrssicher aufzunehmen. Daher sei das Vorhaben vernünftigerweise geboten. Der Planfeststellungsbehörde seien bei ihrer Entscheidung auch keine rechtlich relevanten Fehler unterlaufen. Die zugrundegelegte Verkehrsprognose und der daraus resultierende Verkehrsbedarf seien nicht zu beanstanden. Die absehbare Entwicklung bis zum Jahr 2025 sei ausreichend berücksichtigt worden. Bei der Trassenauswahl habe die Planfeststellungsbehörde nicht gegen das Abwägungsgebot verstoßen. Im Rahmen der Variantenprüfung seien alle ernsthaft in Betracht kommenden Trassenalternativen einbezogen worden. Unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange habe sich keine der denkbaren Varianten eindeutig als die bessere darstellt. Dies gelte auch für die von den Klägern vorgeschlagenen Alternativen. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, durch eigene Ermittlungen ersatzweise zu planen.
Auch die Abwägung zur Immissionsbelastung durch Lärm sei rechtsfehlerfrei. Zwar führe die geplante Variante zu einer Lärmbelastung, die teilweise die Schwelle zur Gesundheitsschädlichkeit und zu einer Eigentumsverletzung überschreite. Die Planfeststellungsbehörde habe aber das Nötige zur Reduzierung des Lärms getan, indem der Straßenbau mit lärmminderndem Asphalt sowie eine nächtliche Verkehrsbeschränkung auf Tempo 30 km/h zwischen Hessischer Straße und Eichendorffstraße vorgeschrieben werde. Der verbleibenden Überschreitung der Lärmgrenzwerte werde mit Maßnahmen des passiven Schallschutzes, insbesondere dem Einbau von Schallschutzfenstern ausreichend begegnet.
Schließlich sei der Planfeststellungsbeschluss auch hinsichtlich der Immission von Luftschadstoffen nicht zu beanstanden. Die Planfeststellungsbehörde gehe zu Recht davon aus, dass die möglicherweise zu erwartenden Überschreitungen des Jahresmittelgrenzwerts für Stickstoffdioxid sowie des Tagesgrenzwerts für Feinstaub (PM10) nach Abschluss des Straßenausbaus durch Maßnahmen der zuständigen Behörden verhindert werden könnten. Als Luftreinhaltemaßnahmen kämen insoweit insbesondere eine dauernde Verkehrsbeschränkung auf 30 km/h sowie ein LKW-Verbot in Betracht.
Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Urteil der 1. Kammer vom 22. Dezember 2010 (VG 1 K 94.10).
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Einsatz von „Lehrkräften auf Zeit“ ist mitbestimmungspflichtig (Nr. 60/2010)
Pressemitteilung Nr. 60/2010 vom 23.12.2010
Der Einsatz von „Lehrkräften auf Zeit“ an Berliner Schulen ist nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin generell mitbestimmungspflichtig.
Das Land Berlin schloss 2009 einen Vertrag mit einer gemeinnützigen GmbH mit dem Ziel, Hochschulabsolventinnen und –absolventen für einen zweijährigen Einsatz als „Lehrkräfte auf Zeit“ (sog. Fellows) in Haupt-, Real- oder Gesamtschulen in sozialen Brennpunkten in Berlin zu verwenden. Nach dem Vertrag hat die GmbH Fellows für die Unterrichtserteilung sowie für außerunterrichtliche Aktivitäten in Vollzeitbeschäftigung an der Einsatzschule zur Verfügung zu stellen. Dem Land obliegt das originäre arbeitgeberseitige Direktionsrecht für das zur Verfügung gestellte Personal im Hinblick auf den Einsatz im Unterricht, im Übrigen verbleibt dieses Recht bei der GmbH, deren Arbeitnehmer die Fellows sind. Der Schulleiter einer Gemeinschaftsschule in Berlin-Mitte hatte den Personalrat Mitte der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung im März 2010 um Zustimmung zur Beschäftigung eines bestimmten Fellows gebeten; der Personalrat verweigerte seine Zustimmung. Gleichwohl wird der Fellow gegenwärtig an der Schule eingesetzt.
Der Antrag des Personalrats auf Feststellung, dass der Einsatz des Fellows mitbestimmungspflichtig sei, hatte Erfolg. Nach Auffassung der 61. Kammer des Verwaltungsgerichts handelte es sich bei dem Einsatz der Lehrkraft um eine Einstellung im Sinn des Personalvertretungsrechts. Eine Einstellung liege bei einer Eingliederung des Betreffenden in die Dienststelle vor. Dies sei hier der Fall gewesen, da der Einsatz keinesfalls nur als geringfügig oder vorübergehend anzusehen sei. Nur bei befristeten Arbeitsverhältnissen für eine Dauer von nicht mehr als zwei Monaten sehe das Berliner Personalvertretungsgesetz eine Ausnahme von der regulären Mitbestimmung vor. Angesichts der Dauer und des Umfangs der Beschäftigung des Fellows könne hier nicht davon ausgegangen werden.
Dieselbe Kammer hat in einem weiteren Verfahren entschieden, dass die Personalvertretung den Vertrag des Landes Berlin mit der gemeinnützigen GmbH nicht im Wege der Mitbestimmung überprüfen darf. Der Hauptpersonalrat für die Behörden, Gerichte und nichtrechtsfähigen Anstalten des Landes Berlin hatte für sich ein Überprüfungsrecht geltend gemacht.
Gegen die Beschlüsse kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Beschlüsse der 61. Kammer vom 2. Dezember 2010 (VG 61 K 16.10 PVL und VG 61 K 17.10 PVL).
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Keine Parkvignette für Rechtsanwalt zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen (Nr. 61/2010)
Pressemitteilung Nr. 61/2010 vom 30.12.2010
Ein Rechtsanwalt hat keinen Anspruch auf Ausstellung einer Parkvignette für eine Parkzone außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei, um erleichtert Gerichtstermine wahrnehmen zu können. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin.
Die klagende Anwaltskanzlei, deren Sitz sich in Berlin-Charlottenburg in der dortigen Parkzone 7 befindet, hatte die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen von der Parkgebührenpflicht für vier Fahrzeuge der Kanzlei für zwei Zonen in Berlin-Mitte beantragt. Zur Begründung hatte die Klägerin ausgeführt, die ihr für die Parkzone 7 zustehenden Ausnahmegenehmigungen würden nicht benötigt, dafür aber wegen zahlreicher wahrzunehmender Termine beim Amts- und Landgericht solche für diesen Bereich. Auch wegen der mitzuführenden umfangreichen und durchschnittlich 10 kg schweren Akten sei eine Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar. Da in Kanzleinähe private Stellplätze angemietet worden seien, stünden die ansonsten in Anspruch genommenen Parkplätze der Allgemeinheit zur Verfügung. Die Behörde hatte die Ausnahmegenehmigung abgelehnt, weil kein dringendes Erfordernis von der Freistellung von der Parkgebührenpflicht bestehe. Der angebotene Tausch von Parkzonen komme nicht in Betracht. Ausnahmegenehmigungen für Zonen außerhalb des Betriebssitzes kämen nur in Frage, wenn ein betriebsbedingter Bedarf bestehe und die Fahrzeugnutzung unabweisbar sei.
Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Ausstellung von Parkvignetten für die Parkzone 3. Der Umstand, dass die Klägerin Anliegerrechte für eine bestimmte Parkzone habe, auf die sie verzichte, könne nicht zu einer Privilegierung für eine andere Parkzone führen. Mit einem Anlieger der Parkzone 3 sei die Klägerin nicht vergleichbar. Deren Parkbevorrechtigung diene dazu, die Parkraumsituation der Bewohner innerstädtischer Wohnstraßen zu verbessern, um diese Wohngebiete attraktiver zu gestalten. Eine Parkbevorrechtigung sei daher auf das notwendige Maß zu beschränken. Es widerspreche diesem Gedanken, wenn schlichte Berufspendler mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung außerhalb ihres Bereiches privilegiert würden. Im Übrigen habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine sonstige Ausnahme von der Parkgebührenpflicht, weil sich eine besondere Ausnahmesituation auf einen genau bestimmten Kreis von Verkehrsteilnehmern erstrecken müsse, was bei Berufspendlern gerade nicht der Fall sei.
Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.
Urteil der 11. Kammer vom 23. November 2010 (VG 11 K 645.09).
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Pressübersicht des Berliner Sozialgerichts
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Beinbruch auf Weihnachtsfeier ist Arbeitsunfall
Pressemitteilung
Berlin, den 17.12.2010
Sozialgericht Berlin – Urteil vom 16. Dezember 2010 – S 163 U 562/09 (liegt schriftlich noch nicht vor): Auch ein Beinbruch im Bowlingcenter ist als Arbeitsunfall von der Unfallversicherung gedeckt, wenn sich der Unfall auf einer betrieblichen Weihnachtsfeier ereignet.
Alle Jahre wieder gibt es die Weihnachtsfeier im Kollegenkreis. Mal fade Pflichtveranstaltung. Mal feuchtfröhliches Fest. Mal zahlt der Chef. Mal zahlt man selbst. Je nach dem, wie das Fest organisiert ist, gilt Feiern als Arbeit im Sinne des Gesetzes. Bei einem Arbeitsunfall zahlt die gesetzliche Unfallversicherung die Behandlung. Es kann Verletztengeld oder sogar Rente geben.
Am Nachmittag des 16. Dezember 2008 traf sich ein Team von Mitarbeitern der Eingangszone des Jobcenters Lichtenberg zur Weihnachtsfeier im Bowlingcenter „Big Bowl“. 17 von 20 Kollegen machten mit, die Teamleiterin fiel wegen Erkrankung ihres Kindes überraschend aus. Als die Gruppe von der Bowlingbahn ins Restaurant wechseln wollte, stolperte die damals 55 jährige Klägerin über eine Stufe und brach sich das linke Bein. Sie war monatelang krank geschrieben und musste 3 Wochen zur Kur.
Von der zuständigen Unfallkasse Berlin begehrte die Klägerin die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall. Die Unfallkasse lehnte ab. Es sei keine offizielle Weihnachtsfeier der Behörde gewesen, sondern nur die private, selbst organisierte Veranstaltung eines kleinen Teams. Zudem habe die Feier außerhalb der Dienstzeit stattgefunden.
Auf den Tag genau 2 Jahre nach dem Unfall wies das Sozialgericht Berlin nun die Auffassung der Unfallkasse zurück: Es war ein Arbeitsunfall. Dazu zählen alle Unfälle, die der versicherten Arbeit zuzurechnen sind, im Unterschied zu Unfällen im privaten Bereich. Unfälle im Zusammenhang mit Betriebsfeiern oder Betriebsausflügen sind versichert, wenn es sich um eine „betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung“ handelt. Das Gericht befragte die damalige Teamleiterin. Dann stellte es fest: Die vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Betriebsfeier lagen vor:
* Die Feier soll die Betriebsverbundenheit unter Kollegen und mit den Chefs fördern,
* Der Chef billigt und fördert die Feier, übernimmt z. B. die Organisation. Er oder sein Vertreter machen selbst mit (oder hatten dies – wie hier – zumindest fest vor).
* Alle Betriebsangehörigen (bei großen Betrieben – wie hier – wenigstens alle einer Abteilung) können teilnehmen, nicht nur einige ausgewählte.
Weitere Entscheidungen zum Thema Arbeitsunfall bei Betriebsfeiern
Weihnachtsfeier von Kriminalbeamten in „Gletscher“ – Skihalle
(S 67 U 575/04 – Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2005): Am 5. Dezember 2003 fand die Weihnachtsfeier eines Berliner Kommissariats der Inspektion „Verbrechensbekämpfung“ in einer Pankower Skihalle statt. Der gemeinsame Skikurs endete für eine damals 42 jährige Berliner Polizistin mit einem Schulterbruch. Das Gericht entschied: Kein Arbeitsunfall, da die Feier nicht vom Chef gebilligt war. Der Polizeipräsident habe extra „Hinweise zur Durchführung von Betriebsausflügen“ erlassen. Danach ist für die Anerkennung als betriebliche Veranstaltung Voraussetzung, dass eine gewisse Mindestzahl von Mitarbeitern teilnehmen kann („mindestens ein Referat“). Diese Mindestzahl ist nicht erreicht gewesen, weshalb es auch keine „von der Autorität des Dienstherrn getragene Veranstaltung“ gewesen ist, sondern eine private Kollegenfeier.
Querschnittslähmung nach Sturz in Spree
(S 25 U 121/10 – Urteil vom 4. Oktober 2010): Am 1. Juli 2008 warteten an den Bootsstegen im Treptower Park rund 30 leitende Krankenpfleger auf die Ankunft von Drachenbooten, um einen Betriebsausflug zu unternehmen. Es herrschten 30 ° C. Plötzlich fiel der Kläger vollständig bekleidet kopfüber in die hier nur 60 cm tiefe Spree. Seitdem ist er querschnittsgelähmt. Nach Befragung von Kollegen erkannte das Gericht einen Arbeitsunfall an: Der Kläger ist eindeutig während einer betrieblichen Veranstaltung verunglückt. Ob er wegen der Hitze ins Wasser gefallen oder aus Übermut eigenmächtig gesprungen ist, war nicht aufklärbar. Damit war im Zweifel zu Gunsten des Klägers zu entscheiden. Die Unfallkasse hätte beweisen müssen, dass es sich um einen gewollten Kopfsprung gehandelt hat, der nicht mehr im Zusammenhang mit dem Betriebsausflug stand.
Folgenreiche Straßenbahnfahrt nach Eisbeinessen
(S 98 U 794/08 – Urteil vom 9. Dezember 2010): Am Freitag, den 15. Februar 2008, feierte eine Gruppe von Ein-Euro-Jobbern ihren Abschied aus einem Förderprojekt. Es gab Eisbein, für das jeder 5 Euro zahlen musste. Der Kläger fuhr gegen 23.30 Uhr mit der Straßenbahn nach Hause. In einer Linkskurve fiel er vom Sitz und brach sich einen Wirbel. 10 Tage lag er im Krankenhaus. Das Sozialgericht entschied: Kein Arbeitsunfall. Grundsätzlich ist zwar auch der Arbeitsweg mitversichert. Das gilt aber nicht, wenn zwischen Arbeit und Weg eine Unterbrechung von mehr als 2 Stunden liegt. So war es hier, denn eigentliches Dienstende war bereits um 16.30 Uhr. Die Feier war keine (die Arbeitszeit gewissermaßen verlängernde) Betriebsveranstaltung. Die Idee kam allein von den Mitarbeitern. Diese organisierten und zahlten alles selbst. Die Chefin stellte nur den Raum zur Verfügung.
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Teilerfolg für Treberhilfe gegen Land Berlin
Pressemitteilung
Berlin, den 17.12.2010
S 47 SO 2643/10 ER – Beschluss vom 16. Dezember 2010 (Beschluss ist nicht rechtskräftig):
Das Land Berlin ist verpflichtet, über die Anträge der Treberhilfe Berlin gGmBH auf Subventionen für die Kontakt- und Beratungsstellen in Mitte und Friedrichshain sowie für die Sozialarbeit an Berliner Bahnhöfen vorläufig erneut zu entscheiden. Der entsprechende Ablehnungsbescheid dürfte nach erster Prüfung im Eilverfahren rechtswidrig sein, weil das Land sein Ermessen nicht korrekt ausgeübt hat. Hingegen besteht kein Anspruch der Treberhilfe dahingehend, dem Land Berlin zu untersagen, anderen Trägern Zuwendungen für die genannten Arbeitsbereiche zu gewähren.
Wie von dritter Seite bereits einem Teil der medialen Öffentlichkeit bekanntgemacht, hat gestern das Sozialgericht Berlin in einem Eilverfahren der Treberhilfe gegen das Land Berlin, vertreten durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales, durch Beschluss eine vorläufige Regelung getroffen. Den Streitwert hat das Gericht auf 583.026 Euro festgesetzt.
Mit Bescheid vom 10. November 2010 lehnte das Land Berlin die Anträge der Treberhilfe auf Weiterbewilligung von Zuwendungen für das Jahr 2011 ab. Der – so das Gericht – „außergewöhnlich kurze Bescheid“ verweist darauf, dass die Zusammenarbeit mit der Treberhilfe nicht fortgesetzt werde. Ein Rechtsanspruch auf eine Förderung bestehe nicht.
Die Treberhilfe legte hiergegen Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Außerdem beantragte sie am 8. Dezember 2010 den Erlass einer einstweiligen Anordnung, unter anderem um eine erneute Entscheidung des Landes Berlin zu erreichen.
Das Gericht hat das Land vorläufig zur Neuentscheidung verpflichtet. Die Entscheidung über eine Zuwendung stehe im Ermessen des Landes. Es spreche viel dafür, dass der Bescheid rechtswidrig sei, denn er lasse überhaupt keine Ermessensausübung erkennen. Er enthalte keine Ermessenserwägungen. Bei der nachzuholenden Ausübung des Ermessens werde das Land zu berücksichtigen haben,
* dass es bisher selbst gar nicht bestreite, dass die von der Treberhilfe erbrachten Leistungen fachlich geeignet seien,
* Zweifel an der Zuverlässigkeit der Treberhilfe bisher nicht mit gerichtsfesten Tatsachen belegt seien,
* staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen einen Gesellschafter und früheren Geschäftsführer keine Unzuverlässigkeit der Gesellschaft begründeten, weil ein Ermittlungsverfahren keinen Rückschluss auf deren Ergebnis erlaube,
* keine objektivierbaren Tatsachen für eine Existenzgefährdung der Treberhilfe oder eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung der Mittel in der Zukunft vorlägen,
* Spekulationen in den Medien das Land nicht von seiner Verpflichtung befreiten, vor seiner Ermessensausübung den tatsächlichen Sachverhalt zu erforschen,
* die Treberhilfe Eigenmittel in beträchtlichem Umfang erbringen wolle, was bei der Auswahl zwischen mehreren Trägern zu berücksichtigen sei,
* es auch denkbar sei, mehrere fachlich geeignete Träger gleichmäßig zu berücksichtigen.
Keinen Erfolg hatte der Antrag der Treberhilfe, die Vergabe von Zuwendungen für die umstrittenen Arbeitsbereiche an andere Träger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch zu stoppen. Diesen Antrag hielt das Gericht für unzulässig. Würde man diesem Antrag stattgeben, könnte dies dazu führen, dass die Leistungen 2011 von überhaupt niemandem erbracht würden. Sowohl die Interessen von Konkurrenten als auch von Hilfebedürftigen stünden dem entgegen. Im Übrigen hätten alle Träger gleichermaßen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Verteilung von Zuwendungen.
Hinweis: Das Gericht hat nicht darüber entschieden, ob die Treberhilfe einen Anspruch auf die Zuwendungen hat. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des Landes. Das Gericht hat allein entschieden, dass das Land den Sachverhalt noch einmal prüfen und abwägen und neu entscheiden müsse. Der Beschluss ist nichts rechtskräftig, er kann durch Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden. Eine endgültige Entscheidung bleibt dem Hauptverfahren vorbehalten.
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Presseübersicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg
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Pressemitteilung 21/2010 vom 16. Dezember 2010
Finanzamt darf in der Wohlverhaltensphase aufrechnen
Nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person (Schuldner) kann das Insolvenzgericht feststellen, dass der Schuldner nach Ablauf einer bestimmten Zeit, der sogenannten Wohlverhaltensphase, und bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine Restschuldbefreiung erlangt. Während dieser Zeit ist die Aufrechnung von Gläubigern dieses Schuldners mit alten Forderungen nur eingeschränkt möglich. Das Finanzamt darf allerdings mit Steuerforderungen gegen den Schuldner, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stammen, aufrechnen, wie jetzt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in zwei Urteilen vom 25. August 2010 (Aktenzeichen 12 K 2060/08 und 12 K 12109/09) entschied. In diesen Fällen hatte der Kläger, der nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ein neues Unternehmen gegründet hatte, aus dieser Tätigkeit während der Wohlverhaltensphase verschiedene Steuererstattungsansprüche erlangt. Das Finanzamt zahlte die entsprechenden Beträge jedoch nicht aus, sondern verrechnete sie mit alten Steuerschulden. Dagegen wehrte der Kläger sich mit dem Argument, dass dadurch der Sinn des Insolvenzverfahrens und der anschließenden Wohlverhaltensphase, dem Schuldner den Aufbau einer neuen Existenz zu ermöglichen, vereitelt werde. Dem folgten die Richter jedoch nicht. Sie hielten es – im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesfinanzhofes – für maßgeblich, dass die Insolvenzordnung kein allgemeines Aufrechnungsverbot in der Wohlverhaltensphase ausspricht. Daher könne dem Finanzamt die Möglichkeit der Befriedigung alter Steuerforderungen durch Aufrechnung auch nicht verwehrt werden.
Die Entscheidungen sind rechtskräftig.
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Die Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof
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09.12.2010 – 31/2010
Festnahme zweier mutmaßlicher Mitglieder der „Khalistan Zindabad Force“ (KZF)
Die Bundesanwaltschaft hat am 7. Dezember 2010 auf Grund zweier Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 25. November 2010
den 35 Jahre alten indischen Staatsangehörigen Sukhpreet S. und
den 41 Jahre alten indischen Staatsangehörigen Jagtar S. M.
im Raum Offenbach und Mönchengladbach festnehmen lassen.
Die Beschuldigten sind dringend verdächtig, sich wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Khalistan Zindabad Force“ (129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB) sowie wegen je eines Verstoßes gegen das Waffengesetz strafbar gemacht zu haben.
Bei der „Khalistan Zindabad Force“ (KZF) handelt es sich um eine radikale Organisation von Sikh-Extremisten, die nicht zuletzt mit gewaltsamen Mitteln die staatliche Unabhängigkeit der mehrheitlich von Sikhs bewohnten Gebiete Indiens anstreben. Ziel der KZF ist die Errichtung eines unabhängigen Staates Khalistan für die Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Sikhs auf dem indischen Subkontinent, wobei als Mittel zur Erreichung dieses Ziels auch Anschläge gegen indische Einrichtungen und Politiker eingesetzt werden. Zur Durchsetzung ihrer terroristischen Aktivitäten ist die KZF bemüht, über Mittelsmänner unter anderem Sprengstoff, kleinkalibrige Waffen und Falschgeld in den indischen Bundesstaat Punjab schmuggeln zu lassen. In Europa aufenthältige Mitglieder der KFZ sind nicht nur in die genannten Beschaffungshandlungen eingebunden, sondern auch in die Vereinnahmung von „Spenden“. Ferner wird im Einzelfall die gewaltsame Beseitigung gemäßigter religiöser Führer der Sihk zur Gewinnung der Kontrolle auch über in Europa bestehende Sikh-Tempel angestrebt.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen, sich spätestens im Jahre 2009 der KZF als Mitglieder angeschlossen zu haben, mit führenden Personen der KZF im Ausland in Verbindung zu stehen und hierbei in die Beschaffung von Waffen, Sukhpreet S. darüber hinaus auch von Falschpapieren, eingebunden zu sein.
So soll der Beschuldigte Sukpreet S. unter anderem im Zeitraum September bis November 2009 im Auftrag der KZF eine halbautomatische Kurzwaffe erworben haben und der Beschuldigte Jagtar S. M. soll sich im März 2010 – gleichfalls im Auftrag der KZF – gemeinsam mit weiteren mutmaßlichen Mitgliedern der KZF um die Beschaffung einer halbautomatischen Waffe nebst Munition zu einem Preis von 1.350 Euro bemüht haben.
Die Beschuldigten wurden gestern (8. Dezember 2010) dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der jeweils den Haftbefehl eröffnet und den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat.
Mit den weiteren Ermittlungen ist das Bundeskriminalamt beauftragt. Über diese Erklärung hinausgehende Auskünfte können derzeit nicht erteilt werden.
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17.12.2010 – 32/2010
Anklage gegen zwei mutmaßliche Führungsfunktionäre der
„Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (FDLR)
Die Bundesanwaltschaft hat am 8. Dezember 2010 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart Anklage gegen
den 47-jährigen ruandischen Staatsangehörigen Dr. Ignace M. und
den 49-jährigen ruandischen Staatsangehörigen Straton M.
wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sowie wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (FDLR) erhoben; der Angeschuldigte Dr. Ignace M. ist zudem hinreichend verdächtig, Rädelsführer der FDLR gewesen zu sein (§ 4, § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3, 6, 8 und 9, Abs. 3, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5, Abs. 4 S. 1, § 9 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Nr. 4 VStGB, § 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 und 4 StGB).
In der nunmehr zugestellten ersten Anklage nach dem Völkerstrafgesetzbuch ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Die „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (FDLR), die auch unter dem Namen „Forces Combattantes Abacunguzi“ (FOCA) auftritt, ist eine überwiegend aus Angehörigen der Volksgruppe der Hutu bestehende Rebellengruppe, die ursprünglich von den 1994 aus Ruanda geflüchteten Verantwortlichen des Völkermordes an der Volksgruppe der Tutsi gegründet wurde. Sie hat ihre Operationsbasis im Osten der Demokratischen Republik Kongo und verfolgt das Ziel, die gegenwärtige Regierung Ruandas zu entmachten. Ihre Machtstellung im Ostkongo versucht sie durch regelmäßige und gewalttätige Übergriffe auf die lokale Zivilbevölkerung zu sichern. Die Mittel, die die FDLR systematisch zur Festigung ihres illegalen Besatzungsregimes einsetzt, umfassen Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Versklavung, gewaltsame Landnahme, Raub, Plünderung und Brandschatzung, eigenmächtige Erhebung von Wegezöllen sowie Ausbeutung der kongolesischen Bodenschätze.
Seit Beginn des Jahres 2009 sah sich die FDLR einem zunehmenden militärischen Druck durch gemeinsame Offensiven der ruandischen und kongolesischen Armeen sowie der internationalen Schutztruppe MONUC (seit Juli 2010: MONUSCO) ausgesetzt. Darauf reagierte sie mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die Zivilbevölkerung, mit denen sie zielgerichtet humanitäre Katastrophen in den Kivu-Provinzen im Ostkongo auslöste. Die FDLR wollte damit zum einen ihre Machtbasis stabilisieren, zum anderen beabsichtigte sie, die kongolesischen Streitkräfte zum Einlenken und die ruandische Regierung zu direkten Verhandlungen über eine Machtbeteiligung zu zwingen.
Der Angeschuldigte Dr. Ignace M. ist seit Dezember 2001 Präsident der FDLR, der Angeschuldigte Straton M. seit Juni 2004 deren Erster Vizepräsident. Bis zu ihrer Festnahme am 17. November 2009 steuerten die Angeschuldigten von Deutschland aus zusammen mit dem in Frankreich wohnhaften Callixte M., der mittlerweile vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag inhaftiert worden ist die Vorgehensweise, Strategien und Taktiken der FDLR. Sie hätten daher die zur Strategie der Organisation gehörende systematische Begehung von Gewalttaten durch die FDLR-Milizionäre an der Zivilbevölkerung unterbinden können. Konkret sind die Angeschuldigten für 26 Verbrechen gegen die Menschlichkeit und 39 Kriegsverbrechen verantwortlich, die ihnen unterstehende Milizionäre in der Demokratischen Republik Kongo von Januar 2008 bis zum 17. November 2009 begangen haben. Unter anderem wurden dabei mehr als 200 Menschen getötet, zahlreiche Frauen vergewaltigt, Zivilpersonen als Schutzschild gegen Angriffe militärischer Gegner missbraucht und Kinder in die FDLR-Miliz eingegliedert.
Die Angeschuldigten wurden am 17. November 2009 festgenommen (vgl. Pressemitteilung Nr. 24/2009 vom 17. November 2009) und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft.