4.3.
+
BICC-Index analysiert Militarisierung weltweit:
Naher und Mittlerer Osten in Spitzenposition
Am Montag, den 28. Februar 2011, veröffentlichte das BICC
(Internationales Konversionszentrum Bonn – Bonn International Center
for Conversion) den Globalen Militarisierungsindex (GMI) 2011
(http://www.bicc.de/our-work/gmi.html). Der GMI untersucht die
Militarisierungsgrade weltweit und dokumentiert die Entwicklung seit
1990. Die Studie dient der Bewertung der Entwicklungsorientierung von
Staaten und der Analyse der regionalen Militarisierung. Der GMI 2011
zeigt auf, dass der Nahe und Mittlere Osten am höchsten militarisiert
sind.
Die Forschungsergebnisse des BICC stellen nicht nur dar, wie viele
Mittel in das Militär eines Staates fließen. Sie definieren den
Militarisierungsgrad eines Landes auch dadurch, wie sich die
staatliche Mittelverteilung an das Militär zum Bruttoinlandsprodukt
oder zu anderen gesellschaftlichen Bereichen wie z.B. der
medizinischen Versorgung verhält. „Unsere Forschung kann die
Politik bei der Bewertung von regionalen Entwicklungen
unterstützen und dazu beitragen politische Entscheidungen – etwa
im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit oder des Rüstungsexports
– zu treffen“, hofft Peter J. Croll.
Naher und Mittlerer Osten am höchsten militarisiert
Im Jahr 2009 (das letzte Jahr, für das aktuelle Daten vorlagen)
belegen Israel (865 Punkte), Singapur (843 Punkte), Syrien (796
Punkte), Jordanien (779 Punkte), Russland (777 Punkte), Südkorea
(748 Punkte), Zypern (738 Punkte), Griechenland (736 Punkte),
Kuwait (736 Punkte) und Weißrussland (731 Punkte) die ersten
zehn Plätze des GMI.
„Dass mit Israel, Syrien, Jordanien und Kuwait vier Länder des
Nahen und Mittleren Ostens an der Spitze der Top 10 stehen,
verweist auf die hohe Militarisierung dieser konfliktreichen Region,
die zu ihrer weiteren Instabilität beiträgt“, stellt Jan Grebe,
Projektleiter am BICC, dar. Weitere sieben Länder der Region und
Nordafrikas befinden sich 2009 unter den ersten 20 Ländern mit
den höchsten Militarisierungsgraden: Libyen (Platz 12), Oman
(Platz 13), Bahrain (Platz 14), Saudi Arabien (Platz 15), Vereinigte
Arabische Emirate (Platz 16), Irak (Platz 17) und Algerien (Platz
18). Die konstant hohe Militarisierung nicht nur Israels, sondern
auch anderer Länder der Region kann nicht nur auf gegenseitige
Bedrohungsperzeptionen zurückgeführt werden. Sie verweist
vielmehr auch auf die immense politische Rolle des Militärs, das in
den gesellschaftlichen Veränderungen Arabiens eine entscheidende
Rolle spielen wird. „Dies sollte die Politik generell bei
Fragen der internationalen Zusammenarbeit – und erst recht beim
Rüstungsexport oder der Militärhilfe – verstärkt im Auge behalten“,
fordert Jan Grebe.
+
PRESSEERKLÄRUNG
28. Februar 2011
WEITERE INFORMATIONEN:
SUSANNE HEINKE
Tel.: 0228/911 96-44
E-Mail: pr@bicc.de
Forschungsbericht „Der Globale Militarisierungsindex
Militarisierung in anderen Weltregionen
In den einzelnen Regionen lassen sich verschiedene Entwicklungen der
Militarisierung beobachten. In Europa existiert ein deutliches Gefälle.
Weißrussland (2009: Platz 10), Bulgarien (2009: Platz 19) und die Ukraine
(2009: Platz 25) etwa weisen hohe Militarisierungsgrade auf.
Griechenland (1990: Rang 10, 2000: Rang 10, 2009: Rang 8) und Zypern
(1990: Platz 3, 2000: Platz 5, 2009: Platz 7) halten sich sogar seit 1990
konstant unter den Top 10. Athen wendet seit Jahren gemessen am BIP
die höchsten finanziellen Ressourcen für sein Militär innerhalb Europas
und auch der EU auf. Treibende Faktoren hierfür könnten die
Zypernfrage und darüber hinaus ganz allgemein der andauernde
Konflikt mit dem Nachbarland und NATO-Partner Türkei (2009: Rang 24)
sein, der in Griechenland bestimmte Bedrohungsperzeptionen auslöst.
Diese hohen Militärausgaben, die in der Vergangenheit auch für
umfangreiche Rüstungsgeschäfte verwendet wurden, könnten eine der
Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise sein. „Es wird sich zeigen, ob
der harte Sparkurs der griechischen Regierung, der von der
Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds bestimmt
wurde, sich in den kommenden Jahren auf den Militarisierungsgrad des
Landes auswirkt“, konstatiert Grebe.
Der Militarisierungsgrad Deutschlands ist seit der Wiedervereinigung
1991 mehr oder weniger gleichmäßig von Platz 36 auf Platz 86 im Jahr
2007 gesunken. 2009 lag er mit Platz 81 im Weltmaßstab weiterhin im
mittleren Bereich.
Selbst zwanzig Jahre nach Ende der Blockkonfrontation wird deutlich,
dass Russland (2009: Rang 5) im Verhältnis zur Gesellschaft mehr
Ressourcen für den Militärsektor aufwendet als die USA (2009: Rang 35),
auch wenn das absolute Verteidigungsbudget der USA deutlich höher
ist als das Russlands. Was diese Zahl angeht, liegen die USA mit 663
Milliarden US-Dollar und einem Anteil von 43 Prozent der globalen
Rüstungsausgaben nach wie vor an der Weltspitze.
In Lateinamerika sind vor dem Hintergrund des drohenden
Rüstungswettlaufs und vieler ungelöster (Grenz-)Konflikte über Jahre
hinweg vergleichsweise hohe Militarisierungsgrade zu beobachten. Die
asiatische Region hingegen weist eine hohe Heterogenität der
Militarisierungsgrade auf. Einerseits droht die Rivalität zwischen China
und Indien um regionalen Einfluss die Militarisierungsgrade beider
Länder ansteigen zu lassen. Andererseits sind Konfliktländer wie Sri
Lanka, Thailand oder Indonesien sehr unterschiedlich militarisiert.
Deutliche Zuwächse in den Militärausgaben sind bei Schwellenländern
und Ländern mit besonders großem Wirtschaftswachstum erkennbar.
Hohe Wachstumsraten brachten dort umfangreiche finanzielle
Ressourcen hervor, die auch im Militärsektor investiert wurden. Die
Militärausgaben Brasiliens sind zwischen 2000 und 2009 um 38 Prozent,
Indiens um 67 Prozent und Chinas um 216 Prozent gestiegen. Ein Teil
dieser Ausgaben floss in umfassende Modernisierungsprogramme der
jeweiligen Streitkräfte. Dennoch haben sich sowohl der Anteil der
Militärausgaben am BIP als auch die Gesundheitsausgaben in diesen
Staaten nur geringfügig verändert. Bei Brasilien (1990: Platz 66, 2000;
Platz 79, 2009: Platz 76) liegt die Militarisierung bei tendenziell leichtem
Rückgang konstant im mittleren Bereich, bei Indien (1990: Platz 79,
2000;Platz 87, 2009: Platz 79) mit Tendenz zum Anstieg
Chinas Bild (1990: Platz 67, 2000; Platz 94, 2009: Platz 88) ähnelt dem
Brasiliens. „So gelingt es diesen Ländern die gesellschaftliche
Entwicklung insgesamt deutlich zu forcieren“, fasst Croll zusammen.
Höchste und niedrigste Militarisierungsgrade: eine differenzierte
Betrachtung ist notwendig
In Afrika südlich der Sahara ist in vielen Postkonfliktländern ein leichter
Rückgang unter dem Einfluss von Entwaffnungs-, Demobilisierungs- und
Reintegrationsprozessen (DD&R) zu verzeichnen. Generell ist dort eher
ein niedriger Militarisierungsgrad zu beobachten. Ausnahmen bilden
Angola (2009: Rang 31), Mauretanien (2009: Rang 36), Dschibuti (2009:
Rang 40), der Tschad (2009: Rang 57) und Namibia (2009: Rang 59).
Es scheint auf den ersten Blick paradox, dass viele afrikanische Länder
wie etwa Madagaskar (Bewaffneter Konflikt seit 2002, 2009: Platz 133),
Demokratische Republik Kongo (Kriegsbeginn Ost-Kongo 2005, 2009:
Platz 112), Zentralafrikanische Republik (Kriegsbeginn 2006, 2009: Platz
116) und Nigeria (Bewaffneter Konflikt seit 2004, 2009: Platz 135) zwar
von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen waren bzw. sind,
dabei jedoch niedrige Militarisierungsgrade aufweisen.
„Ein nur schwach oder gar nicht funktionierender Sicherheitssektor kann
Gewalt und Konflikte, die die Bevölkerung und deren Entwicklung
nachhaltig beeinträchtigen, nicht verhindern“, erklärt Jan Grebe. Die
Folge sind häufig fragile und schwache Staaten, in denen sich
wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung nicht entfalten können.
Unter den 40 Staaten mit den niedrigsten Militarisierungsgraden
befinden sich elf Staaten, die laut dem Failed State Index zur Kategorie
der am wenigsten stabilen Staaten gehören. Betrachtet man zusätzlich
noch die Kategorie, in der jene Staaten gelistet sind, deren Stabilität
gefährdet ist, wird deutlich, dass 30 der 40 Länder mit dem niedrigsten
Militarisierungsgrad deutliche Merkmale schwacher und fragiler
Staatlichkeit aufweisen.
„Um die notwendige differenzierte Einschätzung von
Militarisierungsgraden zu erreichen, bietet der GMI – besonders in
Verbindung mit anderen Indices wie dem Human Development Index
oder dem Global Peace Index eine fundierte Datenbasis“, unterstreicht
Peter J. Croll.
Der GMI stützt sich u.a. auf Zahlen des Stockholmer
Friedensforschungsinstitut SIPRI, des Internationalen Währungsfonds (IWF),
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des BICC. Das Ranking zeigt
die Militarisierung von 161 Staaten seit 1990. Er wird jährlich durch das BICC
aktualisiert. Der GMI des BICC wird durch das Bundesministerium für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert
+
Letztes Wort
+
„France, armée, Joséphine.“ („Frankreich, Armee, Josephine.“) [unsicher]
Napoléon I. von Frankreich, 1821)
Unterwegs zu relevanten Orten