„Die Zukunft des Bundespräsidenten
05.01.12 – Berlin: Nicht erst seit der Debatte um den jetzigen Amtsinhaber kommt immer wieder die Frage nach der Reformbedürftigkeit des Amtes auf, dessen Ausgestaltung nur vor dem Hintergrund der unmittelbaren Nachkriegszeit zu verstehen ist. Ein nicht voll souveräner Staat wollte bewusst bescheiden, leise und unprätentiös auftreten. So entstand der Posten des nur indirekt und in einer schlichten Zeremonie gewählten Staatsoberhauptes, das in seiner Amtszeit vor allem protokollarische Aufgaben zu erfüllen hat. Eine Direktwahl, so die Logik, brächte Parteilichkeit und unerwünschtes politisches Gewicht. Doch das Argument, das Volk könnte die falsche Wahl treffen, zieht nicht mehr. Denn auch die Mehrheitsparteien in der Bundesversammlung liegen gelegentlich falsch, wie die Erfahrung zeigt. Die behelfsmäßige Konstruktion von 1949 muss nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Einer informierten, mündigen Öffentlichkeit kann und muss zugetraut werden, Sach- und Personalentscheidungen zu treffen. Wäre es anders, könnte die Demokratie gleich einpacken. Volksabstimmungen, zumindest auf Landes- und Kommunalebene, nehmen an Bedeutung zu, ebenso die Möglichkeiten für den Wähler, über das Wahlsystem die Personalauswahl der Parteien zu korrigieren. Folgerichtig erscheint daher ein Souverän, der aus seiner Mitte auch das Staatsoberhaupt kürt. Österreich wählt seit Jahrzehnten seinen Präsidenten selbst, ohne dass dieser weiter reichende Kompetenzen als der deutsche hätte. Ein ganz anderes Modell gilt in der Schweiz, in der das machtpolitische Understatement konsequent durchgehalten wird. Turnusgemäß übernimmt ein Mitglied des Bundesrates, vergleichbar mit dem deutschen Bundeskabinett, für ein Jahr die Präsidentenrolle. Übertragen auf Deutschland könnte der jeweilige Bundesratspräsident die Funktion des Staatsoberhauptes übernehmen, wie es bereits nach dem Rücktritt von Horst Köhler im Mai 2010 durch den Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) geschah. Dann wäre jetzt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Zuge, im November käme der baden-württembergische Premier Winfried Kretschmann (GRÜNE) für zwölf Monate an die Reihe. Falls aber 2015 erneut eine Bundesversammlung den Bundespräsidenten wählt, ist eine Mehrheit für CDU/CSU und FDP nach dem Stand der Bundestagswahl-Umfragen genau so unwahrscheinlich wie eine eigene rot-grüne Mehrheit. An einer parteiübergreifenden Kandidatur führt spätestenaus dann kein Weg mehr vorbei.“
aus www.election.de, dort auch der überblick über die aktuelle bundesversammlung, müsste sie jetzt zusammentreten.
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