zum tode von paul ostberg

am 11.5.2011 ist unser paul 94-jährig gestorben.
mit seinem jahrgang 1917 gehörte er zu den menschen, die während des III. reiches volljährig geworden sind. in unserem von juden und judenhassern durchmischten volk wuchs er unbedarft seiner besonderen eigenschaft auf und lernte sie erst durch die feinde kennen. die trieben ihn in die emigration nach basel. nächste familienmitglieder kamen in den lagern um. er hat uns zum gleis 17 am grunewald geführt und uns seine beziehung dazu erklärt. in darauffolgend regelmäßigen begegnungen hat er durch sein offenes freundschaftliches wesen sein wohlwollen spüren lassen.
wir gedachten seiner in der stunde der beisetzung auf dem georgen- und parochialfriedhof an der landsberger allee am 9.6. und unsere gedanken und gefühle werden bei ihm sein in wünschenswert zahlreichen momenten der besinnung.
schillers gedicht trifft möglicherweise die angemessene wellenlänge.

Die Weltweisen

Der Satz, durch welchen alles Ding

Bestand und Form empfangen,

Der Kloben, woran Zeus den Ring

Der Welt, die sonst in Scherben ging,

Vorsichtig aufgehangen,

Den nenn ich einen großen Geist,

Der mir ergründet, wie er heißt,

Wenn ich ihm nicht drauf helfe –

Er heißt: Zehn ist nicht Zwölfe.

Der Schnee macht kalt, das Feuer brennt,

Der Mensch geht auf zwei Füßen,

Die Sonne scheint am Firmament,

Das kann, wer auch nicht Logik kennt,

Durch seine Sinne wissen.

Doch wer Metaphysik studiert,

Der weiß, daß, wer verbrennt, nicht friert,

Weiß, daß das Nasse feuchtet

Und daß das Helle leuchtet.

Homerus singt sein Hochgedicht,

Der Held besteht Gefahren,

Der brave Mann tut seine Pflicht

Und tat sie, ich verhehl es nicht,

Eh noch Weltweise waren;

Doch hat Genie und Herz vollbracht,

Was Lock‘ und Descartes nie gedacht,

Sogleich wird auch von diesen

Die Möglichkeit bewiesen.

Im Leben gilt der Stärke Recht,

Dem Schwachen trotzt der Kühne,

Wer nicht gebieten kann, ist Knecht,

Sonst geht es ganz erträglich schlecht

Auf dieser Erdenbühne.

Doch wie es wäre, fing der Plan

Der Welt nur erst von vornen an,

Ist in Moralsystemen

Ausführlich zu vernehmen.

»Der Mensch bedarf des Menschen sehr

Zu seinem großen Ziele,

Nur in dem Ganzen wirket er,

Viel Tropfen geben erst das Meer,

Viel Wasser treibt die Mühle.

Drum flieht der wilden Wölfe Stand

Und knüpft des Staates daurend Band.«

So lehren vom Katheder

Herr Pufendorf und Feder.

Doch weil, was ein Professor spricht,

Nicht gleich zu allen dringet,

So übt Natur die Mutterpflicht

Und sorgt, daß nie die Kette bricht

Und daß der Reif nie springet.

Einstweilen, bis den Bau der Welt

Philosophie zusammenhält,

Erhält sie das Getriebe

Durch Hunger und durch Liebe.